Aus aktuellem Anlass schreibe ich diesen Blog. Heute Donnerstag befasst sich der Nationalrat als Zweitrat mit der «Abschaffung» des Eigenmietwertes. Im letzten Herbst hat sich der Ständerat knapp für einen Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung ausgesprochen.
Es gibt über die letzten 100 Jahre betrachtet hierzulande wohl kein anderes Thema, das in der Schnittstelle Immobilien und Steuern mehr, intensiver und kontroverser behandelt wurde als der Eigenmietwert. Ein Phänomen und ein steuerliches Unikat zugleich.
Für einmal muss ich nicht nennenswert in die Tasten greifen. Meine Blogs wie auch eine integrale ausführliche wirtschafts- und rechtshistorische Abhandlung zu diesem Stoff wurden bereits vor geraumer Zeit geschrieben. Vgl. die unten aufgeführten Links.
Zwei Anmerkungen zu einer Chimäre bzw. einem Luftschloss
Zusätzlich zu allen Pro- und Contra-Argumenten sollte man erstens der faktischen Unmöglichkeit der steuerlichen Einschätzung grösste Aufmerksamkeit widmen. In diesem Punkt spreche ich hier nicht als Theoretiker, sondern als ehemaliger Berater für eine der grössten kantonalen Steuerbehörden der Schweiz. Fakt ist folgendes: Wenn man ehrlich ist, kann man den Eigenmietwert im individuell-konkreten Fall nie mit einer akzeptablen Eintretenswahrscheinlichkeit hinreichend bestimmen.
Ob 10'000 Franken oder 20'000 Franken pro Jahr zusätzliches Einkommen durch die Eigennutzung der Immobilie ist für die Steuerbehörde immer ein Treffer ins Schwarze!
Eine masslose Lässigkeit im Lichte der rechtlichen Vorgaben einerseits und den Urteilen des Bundesgerichtes andererseits. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass es in mietrechtlichen Streitfällen selten gelingt, den orts- oder quartierüblichen Mietzins empirisch, sprich mit Datenmaterial, herzuleiten. Wo gibt es mehr Vergleichsobjekte als im Bestand von Mietwohnungen!
Fazit: Der administrative Erhebungsaufwand für eine akkurate Festlegung und Fortschreibung von Eigenmietwerten wäre – trotz Digitalisierung – sehr hoch. Die Verwaltung müsste markant ausgebaut werden. Statt juristische Argumente vorzuschieben oder irgendwelche Effizienzkriterien in die Waagschale zu werfen, wäre es bereits ein Fortschritt, wenn die Existenz dieses Mangels als Tatsache anerkannt würde. Es wäre nur ehrlich.
Zweitens erfolgt die Festlegung der Höhe des Eigenmietwertes in den einzelnen Kantonen nach unterschiedlichen Prinzipien und Methoden. Das ist für sich genommen grundsätzlich kein Problem. Stossend und problematisch ist vielmehr die unsystematische Umsetzung und Fortschreibung. Dazu nur ein Hinweis: Die im Kanton Zürich aktuell gültige Weisung zur Bestimmung der Eigenmietwerte stammt aus dem Jahr 2009. Alle Eigenmietwerte, die vor 2009 erstmals festgelegt wurden, sind seither niveaumässig konstant geblieben. Das Bundesgesetz über die direkte Steuer verlangt aber als einzig zulässigen Ausgangspunkt aktuelle Marktwerte. Über die effektive Umsetzung bei den kantonalen Steuerämtern kann man nur staunen. Dieses Verhalten der kantonalen Steuerämter ist erklärbar, aber weder gesetzeskonform noch ökonomisch haltbar.
Die Moral von der Geschichte
Steuern sind immer staatlich sanktionierte Willkür. Nicht mehr und nicht weniger. Wer mit rechtlichem oder ökonomischem Hintergrund versucht, auf dem politischen Parkett sachlich zu argumentieren, hat beim Thema Eigenmietwert seit vielen Jahrzehnten einen schweren Stand. Einmal mehr bestätigt sich ein Spruch, der Benjamin Franklin zugeschrieben wird: «In this world nothing can be said to be certain, except death and taxes.»
Quellen:
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2022/20220929043007929194158159038_bsd014.aspx
Eigene Blogs:
Bildmaterial:
Bildcode: Com_F64-02618
Zurzach, Bau Einfamilienhäuser im Ortsteil Entwisen, Blick nach Ostnordosten (ENE)
Comments