Ursprung: Der Kanton Basel-Stadt führte den «Mietwert für Wohnungen» im Jahre 1880 als erste Gebietskörperschaft überhaupt in der Schweiz ein. Unter Berücksichtigung der damaligen Entstehungsgeschichte zählt der Kanton Basel-Stadt weltweit zu den Pionieren in dieser Materie. Noch früher wurde die Besteuerung des Eigenmietwertes nur im englischen Königreich eingeführt.
Geltungsbereich: Die anschliessende hiesige Verbreitung der Besteuerung von Einkommen mit ausdrücklicher Integration des Eigenmietwertes erstreckte sich hierzulande in den verschiedenen Gebietskörperschaften über etliche Jahrzehnte hinweg. Die Blütezeit erlebte diese explizite Ausprägung der Einkommensbesteuerung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Chronologisch betrachtet lässt sich folgende Abfolge herausfiltern: Zuerst die Vermögenssteuer, dann die Einkommenssteuer und schliesslich die Besteuerung des Eigenmietwertes.
Verbreitung: Der Eigenmietwert als Steuertatbestand erfuhr seine rechtliche «Sozialisierung» grundsätzlich auf Stufe der Kantone. Dessen Aufnahme auf Bundesebene wirkte als eigentlicher Katalysator. Kantone, die bis dato keine solche Besteuerung implementiert hatten, übernahmen diese in der Folge ebenfalls in ihr kantonales Steuerrepertoire. Da die Veranlagung der direkten Bundessteuer den Kantonen oblag und auch heute noch obliegt, bestand allein schon aus prozessualen Gründen ein Anreiz in den Kantonen, ihr Steuersystem demjenigen des Bundes anzupassen. Der fortschreitende Prozess der formellen Steuerharmonisierung durch den Bund begünstigte ebenfalls eine flächendeckende Einführung des Eigenmietwertes auf Stufe der Kantone.
Motiv: Der Eigenmietwert in Verbindung mit der Einkommensteuer wurde nicht systematisch oder nur am Rande aus Gerechtigkeits-, Gleichheits- oder Fairnessüberlegungen gegenüber von Haushalten in Mietwohnungen eingeführt. Insbesondere bei der Übernahme auf Stufe des Bundes ging es in erster Linie darum, akute ausserordentliche Finanzierungsbedürfnisse der öffentlichen Hand zu decken: Anfangs der 1930er-Jahren brachte die Weltwirtschaftskrise den Bundeshaushalt aus dem Lot. Diesen volkswirtschaftlichen Verwerfungen folgte der Zweite Weltkrieg. Der dadurch ausgelöste Mittelbedarf für die Armee war immens. Die Erschliessung von steuerlich ausschöpfbaren und finanztechnisch interessanten Quellen stand in dieser Situation klar im Zentrum. Die gängige Berufung auf eine Steuergerechtigkeit zwischen Mieter- und Eigentümerhaushalten haftet daher im übertragenen Sinn der Charakter eines «Reverse Engineering’s» an. Denn zuerst wurden Fakten geschaffen und erst im Nachgang folgten die einschlägige Begründungen.
Doktrin: Die Besteuerung des Eigenmietwertes in der Schweiz mag heutzutage im internationalen Vergleich (fast) exotisch erscheinen. Anders präsentierte sich die Faktenlage in der Phase um die vorletzte Jahrhundertwerte. Damals führten namhafte Länder (z. B. Frankreich, Deutschland oder Österreich) exakt solche Steuerregime ein. Sie alle beriefen sich dabei auf dieselben anerkannten ökonomisch wie steuerrechtlich untermauerten Theoriegebäuden, Paradigmen und Prinzipien. Sie wurden zur Legitimation der Besteuerung des Eigenmietwertes angeführt. Sie gelten in ihrer Essenz nach wie vor. Gleichwohl hat sich zwischenzeitlich die Mehrheit der damaligen Verfechter dieser Form der Besteuerung von ihr verabschiedet. Diesem Themenkreis wird ein separater Beitrag gewidmet.
Naturaleinkommen: Das steuerliche Konstrukt des Eigenmietwertes wird heute ökonomisch wie rechtsdogmatisch als Natureinkommen verstanden. Bei der ursprünglichen Lancierung in den Kantonen wie auch deutschen Gebietskörperschaften bildete aber der «Mietwert der selbstgenutzten Wohnung» neben der ebenfalls bereits vorhandenen Kategorie des Natureinkommens einen eigenständigen Besteuerungstatbestand. Das Konstrukt des Eigenmietwertes nahm zumindest in seiner Entstehungsphase als Einkommensquelle und –typ eine eigenständige Position ein. Insbesondere wurde er erst im Laufe des 20. Jahrhunderts der Kategorie «Natureinkommen» zugeordnet.
Terminologie: Primär der Begriff «Eigenmietwert» und sekundär auch derjenige des «Mietwertes» waren und sind irreführend. Sie suggerieren erstens einen zwingenden Quervergleich mit einem Mietermarkt vor Ort und zweitens ein supponiertes Mietvertragsverhältnis mit sich selbst, d. h. eine virtuelle Personalunion von Vermieter und Mieter. Beides kann, muss aber nicht so gesehen werden. Korrekterweise ging und geht es um die Besteuerung des geschätzten, in Geld gemessenen Nutzens, den ein Eigentümer aus seiner eigenen selbstbewohnten Wohnung ziehen kann oder könnte. Folglich würde aus ökonomischer wie aus steuertechnischer Sicht auch in einer angenommenen Modellwelt, in der alle Haushalte ausschliesslich Wohneigentümer wären, eine entsprechende Steuer erhoben.
Ausblick: Une histoire à suivre ...