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Besteuerung fehlgesteuert!? – ein Blick in die übernächste Geländekammer



Am Dienstag dieser Woche haben die Mitglieder der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N) das Eintreten auf die Vorlage zur Abschaffung des Mietwerts für selbstgenutzte Liegenschaften (Eigenmietwert) beschlossen. Sie folgen damit der Kommission des Ständerats. Die Mühlen der Gesetzgebung mahlen. Abzuwarten bleibt, ob dieses Vorhaben dereinst als historischer Meilenstein oder als eine weitere Episode in die Geschichte eingehen wird.


Unikat im internationalen Quervergleich

Der Eigenmietwert dürfte hierzulande – sowohl aus ökonomischer als auch aus rechtlicher Warte betrachtet – zu den am besten von der Forschung und der Lehre untersuchten immobilienaffinen steuerlichen Stoffen überhaupt zählen. Die Liste von bisher publizierten Botschaften, Expertenberichten, Studien, Gutachten oder hochkarätigen Forschungsbeiträgen ist hüben wie drüben lang. So extensiv die wissenschaftlichen Materialen dazu sind, so kontrovers fallen aber die Ergebnisse und Einschätzungen dazu aus.


Insofern wird in diesem Blog die einschlägige Materie nicht abermals aufgerollt. Die Fakten sind bekannt. Aber blicken wir unabhängig davon der (hiesigen) Realität ins Auge: Alle Steuern sind im Kern immer – hoffentlich – rechtsstaatlich sanktionierte Willkür. Selbstverständlich sind sie, die Steuern, unterschiedlich effizient. Auch entfalten sie teilweise dysfunktionale Anreizmuster. Ein weiteres Feld umfasst allfällige Umverteilungsmuster. Die Besteuerung des Eigenmietwerts in der Schweiz bietet in all diesen Themen Anknüpfungspunkte.


Fiktion auf wackeligem Fundament

Mein Punkt ist ein anderer: In der erwähnten Medienmitteilung steht auch, dass sich das Parlament mit der Einführung der Individualbesteuerung auseinandersetzen will. Eine spannende Materie! Beim Lesen ging mir blitzartig folgendes Szenario durch den Kopf: Was wäre, wenn der Eigenmietwert NICHT abgeschafft würde, aber dereinst das Regime der Individualbesteuerung Einzug halten würde. Noch spannender!

Man stelle sich – exemplarisch – ein verheiratetes Ehepaar vor. Sie bilden zusammen einen Haushalt. Die Ehefrau ist Eigentümerin der gemeinsam bewohnten Familienwohnung. Wem würde nun die Steuerlast für den Eigenmietwert der Wohnung angelastet werden und allenfalls zu welchem Anteil?

Dabei handelt es sich nicht um einen konstruierten Sachverhalt. Vielmehr ginge es darum, geltende steuerrechtliche Grundprinzipien angemessen, fair und transparent zu operationalisieren. Nur eine Illustration dazu: Schon nach geltendem Steuerrecht hat ein Wohnrechtsberechtigter den «Nutzen» seines Wohnrechts (Art. 766 ff. ZGB), der sich aus einer entsprechenden Dienstbarkeit ableitet, als Einkommen zu versteuern. Beim Regime der Individualbesteuerung wäre bei Ehegatten sinngemäss analog vorzugehen.


Fazit: Inhaltliche wie methodische Herausforderungen wären für den Fiskus in der Umsetzung vorprogrammiert. Mehr noch, es würde sich ein (weiteres) drohnenreiches Feld öffnen. Denn die bereits existierenden denkbaren Konstellationen gestalten sich mit Blick auf das Güterrecht, auf das Eigentumsrecht, auf die Finanzierungsseite wie auch auf die Handhabung der Betriebs- und Unterhaltskosten der Liegenschaft ebenso mannigfaltig wie vielschichtig. Der Rechtsprechung wäre hier eher früher als später gefordert.


Moral der Geschichte

Steuern waren noch nie eine leichte Kost. Das liegt in der Natur der Sache. Und nur weil die Materie anspruchsvoll ist, bedeutet dies nicht, sich nicht damit zu beschäftigen. Gleichwohl dürfte sich der Gesetzgeber mit einer Fortführung der Eigenmietwertbesteuerung auf dem Holzweg befinden.


Weshalb? Die steuerrechtliche Bemessungsgrundlage hat die Qualität einer Schimäre, eines Trugbildes. Die Mischung aus Szenarien, Fiktionen und Annahmen bei der individuell-konkreten Herleitung des Eigenmietwertes bringt unter dem Strich im Einzelfall nicht selten Ungeniessbares hervor. Meistens handelt es sich um ein Zufallsprodukt und selten um einen Marktwert wie er in Art. 16 Abs. 2 DBG festgeschrieben ist.


So «üben» die zuständigen Steuerbehörden seit etlichen Jahrzehnten den gesetzlichen Auftrag, nämlich das Naturaleinkommen bei selbstbewohntem Wohneigentum, zu bestimmen. Mit mässigem Erfolg. Die rustikale und holzschnitzartige Herleitung des Eigenmietwert steht in deutlichem Kontrast zur Sorgfalt und Detailverliebtheit, die in vielen anderen Steuerthemen zu beobachten ist. Die Arbeit mit dem Zweihänder hat beim Eigenmietwert Tradition und System. Im Steuerrecht spricht man beschönigend von Massenfallrecht.


Ein Clou zum Schluss: Würden die einschlägigen Normen zu missbräuchlichen Mietzinsen auf Eigenmietwerte angewendet, dürfte wohl der eine oder andere die zulässigen Grenzwerte ritzen. So viel zur geforderten Gleichbehandlung von Eigentümern von selbstbewohntem Wohneigentum und von Mieterhaushalten.

Quellen:


https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de


Geschichte und Hintergründe:



Bildnachweis:

von Heckel, Max: Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Leipzig, 1907, S. 226.


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