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Tiny houses – huge economic nonsense!


Nein, ich habe nichts gegen «Tiny Houses», im Gegenteil. Denn dem mit ihnen verbundenen Prinzip des bewussten Verzichts vermag ich viel Positives abzugewinnen. Es gelten die süffigen Devisen «weniger ist mehr» oder auch «small is beautiful». In einem Land, in dem die Verwendung des Diminutivs eine grosse Tradition hat, müssen winzige Häuser, eben sogenannte «Hüsli», eigentlich gut ankommen. Sie besitzen nicht selten ihren eigenen Bünzli-Charme. Davon abgesehen sind aus analytischer Sicht sowohl das Konzept als auch die Umsetzung von sogenannten Tiny Houses schlicht als ökonomischer, raumplanerischer und mutmasslich auch ökologischer Unfug zu klassifizieren.


Paradoxe Intervention? Lob dem Plattenbau im grossen Massstab


Weshalb schreibe ich gerade jetzt diesen Blog? Auslösender Moment war ein Artikel im Tages-Anzeiger vom 23. Mai 2023. Der Titel des fraglichen Beitrags lautete: «Zu zweit auf 25 Quadratmeter». Nach der Lektüre konsultierte ich zudem die Website des «Vereins Kleinwohnformen Schweiz». Beim Lesen des Artikels kam mir spontan das sogenannte «Stöckli» auf einem Bauernhof in den Sinn. Aber das ist eine andere Geschichte. Nachfolgend ein paar wenige ökonomische Eckwerte zur Materie: Die Baukosten eines solches Minihauses bewegen sich grob geschätzt zwischen 150'000 bis 300'000 Franken. Daraus ergeben sich als Richtgrösse reine Baukosten in der Grössenordnung von circa 5'000 Franken pro Quadratmeter Wohnfläche (notabene ohne Unterkellerung). Das ist im Vergleich ein stolzer, aber nach bauökonomischen Gesichtspunkten durchaus nachvollziehbarer Wert. Der Grund: Es lassen sich bei dieser Art von Baute keine flächen- oder volumenbezogenen Skaleneffekte erziehen.


Geht man von einer Lebensdauer von 30 Jahren aus, betragen die jährlichen Abschreibungskosten für die ursprünglichen Bauinvestitionen 5'000 bis 10'000 Franken (linear gerechnet). Im genannten Beitrag zahlen die Eigentümerschaft des porträtierten Tiny Houses im Sinne eines Baurechtszinsen einen «Mietzins» in der Höhe von 500 Franken monatlich, beziehungsweise 6'000 Franken pro Jahr.


Die gemietete Grundstücksfläche weist dabei eine Fläche von 200 Quadratmetern auf. Dazu kommen Nebenkosten von 1'000 Franken pro Jahr. Konservativ gerechnet ergeben sich daraus unter dem Strich Wohnkosten von 12'000 Franken pro Jahr, was einen Wert von 480 Franken pro Quadratmeter und Jahr impliziert. Gebühren, Steuern, Unterhaltskosten und Ähnliches werden hier als getroffene Annahme mit null Franken veranschlagt. Zum Vergleich: der entsprechende nationale Durchschnittswert für eine konventionell gemietete Wohnung dürfte in der Grössenordnung von 200 Franken anzusiedeln sein.


Die bewusste Wahl der Kleinheit hat nachweislich einen stolzen relativen Preis. Aber es kommt noch schlechter. Die baurechtliche Ausnutzungsziffer eines Tiny Houses dürfte unter der Marke von 0.2 liegen. Man bewegt sich damit in guter Gesellschaft mit typischen, freistehenden Einfamilienhäusern. Vorbildliche raumplanerische Verdichtung nach innen sieht fraglos anders aus. Dazu kommt oftmals eine vergleichsweise aufwendige Erschliessung.


Die Moral von der Geschichte


Das Realisieren und das Bewohnen von Tiny Houses ist und muss hierzulande eine legitime Wohnform sein und bleiben. Aber wirklich geeignet ist sie jedoch nur für echte Freaks, die auch über das notwendige Kleingeld für eine solche Marotte verfügen. Ganz zu schweigen von der körperlichen Fitness, welche diese Wohnform typischerweise mit sich bringt. Denn sie ist in der Regel weder altersgerecht noch hindernisfrei.


Der wohl wichtigste Punkt bei dieser ökonomisch betrachtet «verschwenderischen» Wohnform liegt in der Belegungsintensität. Nur wenn die Bewohnerschaft ihr winziges Haus als Erstwohnsitz und ohne eine weitere Wohngelegenheit nutzt, gilt es ob dem bewussten Verzicht auf Wohnfläche pro Kopf den Hut zu ziehen. Alles andere wäre aus ökonomischer, ökologischer und raumplanerischer Optik blosse Augenwischerei oder billige Effekthascherei.

Aber wie bereits eingangs gesagt, soll in einer offenen Gesellschaft jede Person und jeder Haushalt möglichst nach der eignen Façon die Wohnform wählen können und auch ausleben dürfen. Tiny Houses taugen aber nicht einmal ansatzweise, um als Vorbild dafür zu dienen, unseren übermässigen Ressourcenkonsum einzudämmen. Tendenziell trifft das Gegenteil zu.


Unter den heute geltenden raumplanerischen Rahmenbedingungen verkörpern Tiny Houses mutmasslich die Perversion des klassischen freistehenden Einfamilienhauses. Um genau dem Postulat von weniger Konsum Nachdruck zu verleihen, wäre eine systematische und breitangelegte Erhöhung der Belegungsdichte in bereits bestehenden Wohnungen – verstanden als Anzahl Personen pro Haushalt – die mit Abstand effektivste und effizienteste Massnahme, um dem notorischen Nachfrageüberhang nach Wohnraum entgegenzuwirken. Hier gilt es den (politischen) Hebel anzusetzen. Wie wäre es mit einer Einführung einer landesweiten Lenkungsabgabe (keine Steuer!) auf Wohnflächen? Letzteres bleibt wohl utopische Wunschdenken eines Volkswirtes.


PS: Vor allem die hiesigen Bergkantone sind mit Jagdhütten und wesensähnlichen Kleinstgebäuden übersät. Diese Bauten entsprechen oftmals den Charakter von Tiny Houses. Sie prägen vor Ort – nota bene ausserhalb der Bauzone – das Landschaftsbild in der Summe mit.


Quellen:

https://kleinwohnformen.ch
https://www.tagesanzeiger.ch/sie-wohnen-zu-zweit-auf-25-quadratmetern-617714105246

Bild: dr. dr. üsé kuba Hausmann, Sassal Mason mit Palü-Gletscher, 2022.

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