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Mein alter ego als Hauswart und Facility-Manager

«Wem Gott in der Eidgenossenschaft wohl will, dem gibt er ein Haus in Zürich».


Mag sein. Die deutschschweizerische Zentriertheit auf die Zürcher Metropole ist notorisch und etwas abgelutscht. Doch die Wurzeln dieses Sprichwortes dürften im 17. Jahrhundert liegen (*). Die Stadt verfügt offenbar über Evergreen-Qualitäten. Letztlich macht dieses Bonmot einmal mehr deutlich, was die inflationär publizierten nationalen oder internationalen Rankings zu Standort- oder Lebensqualitäten laufend bestätigen: Zürich ist eine grossartige Stadt.


Gott vergas, uns ein (perfektes) Handbuch für die Liegenschaft zu geben


Doch in den letzten Wochen beschäftigte mich unsere Wohnliegenschaft in der Stadt Zürich mehr als mir lieb war. Statt Sakrales beschäftigte mich Profanes: Obwohl ich als Co-Bauherr und langjähriger Bewohner die eigene Liegenschaft wie meinen Hosensack kenne, war ich gefordert. An verschiedenen Orten im Haus rumorte es: Ein Lichtschalter gab den Geist auf, ein Ventil der Bodenheizung klemmte, eine Wasserpumpe versagte den Dienst und –besonders gravierend – ein Fensterglas hatte sich eingetrübt. In dieser Konstellation zeigten sich empfindliche Daten- und Informationslücken: Wer hat ursprünglich, vor fast 20 Jahren, welches Teil geplant, produziert, geliefert und eingebaut?


Zur Vermeidung von allfälligen Missverständnissen: Als bekennender Architektur-Aficionado und Daten- Fetischist glaubte ich, dass ich lückenlos und bestens über unser Haus dokumentiert wäre – und dies in analoger wie in digitaler Form (CD-ROM). Trotzdem gab es  – wie bereits angetönt – massgebliche informationstechnische Schwachstellen. Ich musste vieles abklären und recherchieren: Welcher Hersteller, welcher Typ, welches Modell, welches Baujahr, welche Ausführung etc. Allein dieser Schritt kostete mich ein beachtliches Mass an Zeit. Doch mit der Unterstützung etlicher Unternehmen würde ich fündig. Gott sei Dank.


Die Moral der Geschichte


Vorgestern nun wurde in einer aufwendigen logistischen Übung das neue Fensterglas in Millimeterarbeit eingesetzt (Vgl. Foto). Als «Bürolist» konnte ich der einmaligen Qualität nur Staunen. Die Fehlertoleranz war null.

 

Gestern ersetzte der Sanitär zusammen mit dem Elektriker die Wasserpumpe in unserem Keller. Beim Rapport zur geleisteten Arbeit entwickelte sich ein Gespräch mit dem frischgebackenen Sanitärmeister. In deren Verlauf fragte er mich, ob ich denn nicht mit der Richtlinie W3/E4 d vertraut wäre. Ich verstand nur Bahnhof.

 

Im Internet wurde ich sofort fündig: Sie, die Richtlinie, richtet sich an die verantwortlichen Personen, die für die gesetzlich geforderte Selbstkontrolle von Trinkwasseranlagen zuständig sind. Dabei wurde mir ein weiteres Mal bewusst, dass erstens Eigentum mit (operativer) Verantwortung verbunden ist und zweitens, dass sich Mieterinnen und Mieter von Mietwohnungen diesbezüglich in einer Komfortzone beziehen. Eine Kontaktaufnahme mit der Liegenschaftenverwaltung genügt und der Mist ist für Sie geführt. So geht das.

 

Doch die Essenz dieses Blogs ist eine andere: Wie wäre es, wenn in einem simplen PDF-File alle und ich meine wirklich alle verbauten Teile, Stoffe, Geräte etc. eines Gebäudes, die effektiv verwendet wurden, aufgeführt wären? Im Sinne eines digitalen Patientendossiers wäre dies eine so simple wie kostengünstige Vorsorgemassnahme, um späteren Kalamitäten entgegenzuwirken. Auch könnte diese Datei im Sinne eines Gebäudetagebuches geführt werden. Dazu bräuchte es keine Digital Twins oder BIM oder Ähnliches. Ein digitales «Milchbüechli» à la PDF-File würde reichen.

 

Als Co-Bauherr (**) und Bewohner der eigenen Liegenschaft lerne ich sie jeden Tag ein bisschen besser kennen. Durch «Learning by living in» wird man zum sprichwörtlichen Wissensträger über die eigenen vier Wände (***). Schade nur, dass dieses Erlebniswissen bei einer Handänderung in der Regel verloren geht. Insofern geht nichts über einen treuen und sachkündigen Hauswart. Eine Berufsspezies, die im Zeitalter von Akademisierung der Berufswelt notorisch unterschätzt wird.

 

Quellen:

 

 

 

 

Bildernachweis:

dr. dr. üsé kuba hausmann

 

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