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Kaufen wir einen Wald?!


Egoismus oder vorausschauendes Handeln als Motiv?


Diese Woche schaute ich in die Röhre. Keine schlimme Sache, aber gleichwohl einen Blogbeitrag wert. Was ist passiert? Meine langjährige Lieferantin von Brennholz, die Stadt Zürich, war ausgeschossen. Auch als Stammkunde erhielt sich eine negative Rückmeldung. Bis auf weiteres muss ich auf Cheminée-Holz «aus der Region» verzichten. Gemütliche und romantische Abende mit knisterndem Feuer im Cheminée müssen warten. Ich war perplex und vielleicht auch etwas naiv.


Auf Rückfrage bei der zuständigen Stelle erklärte man mir so freundlich wie bestimmt, dass es im Lichte der drohenden Energiemangellage zu massierten Hamsterkäufen gekommen sei. Oje, einmal mehr haben die egoistischen Anwandlungen des (irrationalen) Homo oeconomicus zu einer mutmasslichen Fehlallokation von Ressourcen geführt. Eine alternative Sichtweise: Viele Stadtmenschen waren für einmal besonders strategisch unterwegs. Letzteres scheint mir aber Wunschdenken zu sein. Eher dürfte es sich dabei um von Angst getriebene kollektive Kaufreflexe gehandelt haben. Man erinnert sich: In Zeiten der Corona-Pandemie waren Toilettenpapier oder Impfdosen die materiellen Güter der Begierde. So weit, so gut.


Wald als «Investment»: weiterhin Kriechgang statt Preisblase

Dieses Mikromarkterlebnis hat mein Interesse als Volkswirt geweckt. Wenn jüngst die Preise für Energie zeitweise durch die Decke geschossen sind oder sich weiterhin sehr volatil verhalten, dann müssten doch Unternehmen, die in dieser Produzenten- und Lieferkette eingebunden sind, an Attraktivität gewonnen haben. Kommt beim Rohstoff Holz dazu, dass dieser polyvalent einsetzbar ist. Nicht nur als Energiequelle, sondern auch als Baustoff. Letzterer erlebt dem Vernehmen nach seit geraumer Zeit eine Renaissance. Seitenblick: Die Baukosten für Holzbauten sind in den letzten drei Jahren mindestens so stark angestiegen wie die Baupreise für konventionell realisierte Hochbauten.


Müssten vor diesem Hintergrund in der Realität nicht auch die Grundstückspreise, der Preis für Wald, deutlich in Richtung Nordosten tendieren? Immerhin ist das Prinzip der Nachhaltigkeit in der Waldwirtschaft seit dem frühen 18. Jahrhundert aktenkundig, sozusagen das Original. Nimmt man das «ESG»-Narrativ als Messlatte, wäre es nicht verwunderlich, wenn in diesem Transaktionsmarkt die Post abgehen würde.


Ein Blick in die Preisstatistik zu realisierten Marktpreisen von Waldgrundstücken im Kanton Zürich liefert dazu belastbares Datenmaterial: 2022 kostete ein Quadratmeter Wald im Mittel 1 Franken 80 Rappen (Median). Dasselbe Preisschild findet sich in der Statistik exemplarisch für die Jahre 2016 oder auch schon 2002. Haussierende Transaktionsmärkte warten mit anderen Werten auf. Die vergangenen 20 Jahre schwankte der Bodenpreis für Wald in einer Bandbreite von plus/minus 10 Prozent um den Wert von 1 Franken 65 Rappen. Weder die angespannte Versorgungssituation mit Energieträgern noch der Boom beim Bauen mit Holz konnten (bis jetzt) preisliche Impulse beim Handel mit Waldparzellen auslösen. Eine preisliche Transmission zurück an die Quelle lässt sich somit nicht nachweisen. Im Gegenteil. Schaut man sich erzielten Preise von Freihandtransaktionen im Kanton Zürich an über die letzten knapp 50 Jahre an, präsentiert sich aus Investorensicht ein Jammertal. 1974 kostete ein Quadratmeter Zürcher Wald noch 2 Franken 60 Rappen. Nimmt man die hiesige Inflation (Landesindex der Konsumentenpreise) als Referenz, dann sollte heute ein Quadratmeter Wald mindestens 4 Franken kosten. Vgl. Grafik am Ende des Textes.


Oder mit anderen Worten sind Grundstücke aus dem ersten Sektor heute nominal wie real markant günstiger als 1974! Entsprechend düster sieht die erzielte jährliche Wertänderungsrendite (1974 bis 2022) aus. Sie beträgt minus 7.6 Prozent. Zumindest im untersuchten Zeitraum war das Halten von Wald als Eigentümer aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Fehlinvestition.


Man kann es auch anders interpretieren. Waldgrundstücke waren und sind – anderes als der Markt von Bauland – vollständig immun gegen «Spekulation». Schematisch und anlagetechnisch gesehen waren die Preisentwicklungen von Bauland und Wald gar negativ miteinander korreliert.


Moral von der Geschichte

Aus diesen Fakten konnte ich mir zuerst keinen Reim machen. Auf der Website von «Waldschweiz», dem Verband der Waldeigentümer, wurde ich als Unkundiger in Ressourcenökonomie doch noch fündig. Dort wird Klartext gesprochen. Dabei ist folgende Aussage erhellend: «Die Frage nach Holzpreisentwicklung ist nicht einfach zu klären, (…) gilt es, weltweite Beziehungsgeflechte zu analysieren.» Insbesondere gehen die dortigen Experten und Expertinnen ausdrücklich nicht von einer Zeitenwende aus. Im Gesamtkontext der forstwirtschaftlichen Wertschöpfungskette dürfte es sich bei den aktuellen Lieferengpässen sowie allfälligen kurzfristigen Preissteigerungen bei Holz mit hoher Wahrscheinlichkeit um temporäre und nicht strukturelle Phänomene handeln. Exakt diese Einschätzung teilt die grosse Mehrheit der hiesigen Marktteilnehmer, d. h. die Verkäufer und Käufer von Schweizer Waldparzellen.


So führt die gegenwärtige Gemengelage beim Endkonsum von Holz wohl nicht dazu, dass in den Schweizer Wäldern die Bäume sprichwörtlich in den Himmel wachsen werden. Die herrschende Holzknappheit regt somit weder die Zahlungsbereitschaft noch die Fantasie der Investoren an. Wald als Investitionsobjekt ist nicht interessanter geworden. Sie, die gerade genannten Marktteilnehmer, liessen und lassen sich nicht von einem hitzigen Fieber anstecken. Vielmehr haben sie die Lage nüchtern analysiert und rational ihre Schlüsse daraus gezogen. Schliesslich denkt und handelt man in Zeitfenstern von Generationen.


Es gibt keine Wunder. Das Erzielen von forstwirtschaftlicher Wertschöpfung war, ist und bleibt hartes Brot. Fazit: Etliche Stadtzürcher Haushalte könnten von dieser Branche mit Blick auf nachhaltiges Wirtschaften Anschauungsunterricht für sich nehmen. Denn weder das Packen von (scheinbaren) Opportunitäten noch spekulatives Verhalten sind gegenwärtig zielführende Gebote.


PS: Der Wald in der Schweiz bedeckt eine Fläche von 1.31 Mio. Hektaren. Dies entspricht 32 Prozent der gesamten Landesfläche. Dahinter steckt ein Vermögenswert von knapp 24 Milliarden Franken (Stand 2022).


Datenquellen

Statistisches Amt Kanton Zürich (Handänderungsstatistik)


Bildquelle

dr. dr. üsé kuba hausmann, Sassalbo, Februar 2023



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