Immobilienfonds: hiesige Ursprünge einer Milliarden-Industrie
- Dr. Dr. Üsé Kuba Hausmann
- 24. Juni
- 10 Min. Lesezeit
Aus «international» wird «national»: hiesige Eigentümerschaft
Am 19. August 1930 wird in Basel eine Aktiengesellschaft gegründet. Deren Geschäftsmodell wird sich für die Finanzbranche als wegweisend herausstellen.[i] Es ist so innovativ wie revolutionär. Die Firma der Gesellschaft lautet «Société Internationale de Placements» (SIP). Sie hat sich die Durchführung von Finanzierungen jeglicher Art auf die Fahne geschrieben. Das Aktienkapital beläuft sich auf satte 1.25 Millionen Franken. Als Gründungsaktionärinnen fungieren eine Schweizer sowie fünf ausländische Privatbanken: Das Basler Bankhaus «Speiser, Gutzwiller & Cie.», das in Paris ansässige Bankhaus «R. de Lubersac & Cie», das Londoner Bankhaus «Schwab & Snelling», das Bankhaus «R. Henriques jr.» aus Kopenhagen, das Berliner Bankhaus «Hugo Oppenheim & Sohn» sowie die in Amsterdam domizilierte «Bankassociatie Wertheim Gompertz 1834 en Credietvereeniging 1853». Die Federführung in diesem Sextett obliegt der Bank «Speiser, Gutzwiller & Cie.» Ein Teilhaber dieser Bank ist Ernst Gutzwiller (1891-1976). Gleichzeitig hält er Anteile an «R. de Lubersac & Cie».
Die SIP hat zu Beginn mit Theophil Speiser-Riggenbach (1886-1940) und dem aus Leipzig stammenden Rechtsanwalt Adolph Heinrich Reginald Wach (1889-1969) zwei Verwaltungsräte. Ersterer ist auf dem Platz Basel ein umtriebiger Bankier und in dieser Rolle Gesellschafter der Bank «Speiser, Gutzwiller & Cie». Nach der Matura entscheidet er sich für eine Lehre als Bankkaufmann. Einem Metier, in dem auch sein Grossvater aktiv war. Ein Teil seiner Ausbildungszeit absolviert er in London und Paris. Bis zum Ersten Weltkrieg ist er als Kaufmann in Ägypten tätig. Schritt für Schritt baut er sich ein internationales Netzwerk mit zahlreichen Persönlichkeiten auf. Nach seiner Rückkehr nach Basel gehört er als Privatbankier mehreren Verwaltungsräten an, ist Mitbegründer der im November 1934 ins Leben gerufenen Vereinigung schweizerischer Privatbankiers und wirkt zudem als Mitglied der Basler Handelskammer. Dort berichtet Speiser-Riggenbach in den jeweiligen Jahresberichten unter das Geschehen auf dem Basler Finanzplatz und darüber hinaus. Als Musikliebhaber und häufiger Konzertbesucher bringt er sein Finanzwissen bei der Internationalen Gesellschaft für Musikwissenschaften ein.
Die SIP operiert von der Kaufhausgasse 7 in Basel aus. Die Liegenschaft gehört dem Bankhaus «Speiser, Gutzwiller & Cie.» Gut acht Jahre nach der Gründung der SIP und noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges treten die fünf ausländischen Gründungsaktionäre ihre Anteile ab. Die Transaktion erfolgt zweistufig. Zuerst erwirbt das Bankhaus «Speiser, Gutzwiller & Cie.» deren Aktienpakete. Letztere veräussert sie ein Jahr später zu je 40 Prozent an den Schweizerischen Bankverein und an die Schweizerische Kreditanstalt. Nach weiteren 32 Jahren übernehmen die beiden Grossbanken 1971 die restlichen Aktien. 2008 wird die SIP der UBS Fund Management (Schweiz) angegliedert. Und acht Jahre später, im Februar 2016, beschliesst die Generalversammlung der SIP die Auflösung der Gesellschaft. Seither befindet sie sich in Liquidation.
Erster Immobilienfonds auf dem europäischen Kontinent
Bis 1938 bietet die SIP ausschliesslich aktienbasierte Anlageprodukte am Markt an. Man nennt sie «Trusts». Trusts funktionieren als Anlagefonds avant la lettre. Ihr Anlageuniversum ist vorerst international ausgerichtet. Die wachsende Palette der aktienbasierten Anlagevehikel deckt dabei für sich mehrere Länder mit ihren Aktienengagements ab. Der Geschäftsansatz der SIP mit länderübergreifenden Engagements in Aktien für eine breites Publikum ist sehr erfolgreich. Ab 1936 hat die SIP ergänzend länderspezifische Fonds im Angebot. Anlageprodukte, bei denen nur Schweizer Aktien hinterlegt sind, werden nun ebenfalls in Umlauf gebracht.
Im Jahr 1938 lanciert die Gesellschaft ein bahnbrechendes Anlagevehikel: Sogenannte Liegenschaftszertifikate, die kollektiven Besitz an Schweizer Immobilien erlauben. Das Produkt trägt die Bezeichnung «SWISSIMMOBIL Serie D». Mit dieser Finanzinnovation werden mittels Zertifikaten Direktinvestitionen in einzelne Grundstücke möglich gemacht. Nach heutiger rechtlicher, ökonomischer und organisatorischer Lesart handelt es dabei um einen lupenreinen Immobilienfonds. Die Anleger – sprich die Käufer und Inhaber der Liegenschaftszertifikate – sind mit der SIP auf vertragsrechtlicher Basis verbunden. Letztere fungiert als operativer Dreh- und Angelpunkt zwischen allen involvierten Parteien, der Schweizerische Bankverein als Treuhänder, einer Kontrollstelle, einer Immobilienverwaltung sowie einem Experten-Komitee.
Das rechtliche Herzstück der beschriebenen Struktur ist in einem Büchlein festgehalten. Es trägt die Überschrift «Verwaltungsordnung betreffend das Miteigentumsverhältnis der Inhaber der “Liegenschaftenzertifikate S.I.P Serie D“». Auf zwanzig Seiten und in 91 darin enthaltenen Paragrafen wird das Konstrukt dargestellt und geregelt. Ebenfalls finden sich dort wirtschaftliche Eckwerte. Interessierte Kreise erhalten mit diesem Dokument Einblick, wie der Hase läuft.
Im Grundsatz ist es ein Beziehungsnetz zwischen der Administration, welche die Fondsleitung innehaltet, dem Treuhänder – konkret dem Schweizerischen Bankverein –, der für die treuhänderische Verwahrung von diversen Dokumenten, Urkunden, Forderungen und Geldern zuständig ist, dem Experten-Komitee, das in erster Linie für Anlagescheidungen sowie die jährliche Bewertung der Liegenschaften verantwortlich ist, der Kontrollstelle, welche die Buchführung einmal pro Jahr prüft, die Immobilienverwaltung, welche die operative Bewirtschaftung der Liegenschaften durchführt und ihrerseits der Administration unterstellt ist sowie die Gruppe der Zertifikatsinhaber. Letztere hält ihre Anteile am Immobilienfonds im Miteigentum. Die Immobilien des Fonds werden immer von pro Objekt neu gegründeten Aktiengesellschaften gekauft. Die dazugehörigen Aktien werden beim Treuhänder hinterlegt. Er wacht darüber, dass weder Aktien noch Immobilien dieser Gesellschaften unrechtmässig belastet oder veräussert werden. Auch ist er dafür verantwortlich, dass die damit verbundenen Geldströme zugunsten der Zertifikatsinhaber fliessen.
Hochkaratiges Experten-Komitee: Reputation im Fokus
Dem ersten Experten-Komitee gehören sechs Männer an. Neben Fritz Sandmeier, dem Direktor der SIP, sind es zunächst drei Architekten: Mit Otto Rudolf Salvisberg[ii] (1882-1940) und William Dunkel[iii] (1893-1980) sind gar zwei Professoren der Eidg. Technischen Hochschule (ETH Zürich) an Bord. Sie besitzen eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit: Vor ihrem Wirken an der ETH leben und arbeiten sie etliche Jahre in Deutschland. Da ersterer im Dezember 1940 bei einem Skiausflug in Arosa an einem Herzschlag stirbt, ist sein Engagement in diesem Kreis nur von kurzer Dauer.[iv] Das bauversierte Trio der Architekten vervollständigt der Basler Ernst Alfred Sarasin (1899-1974). Er wirkt als langjähriger Verwaltungsrat und Geschäftsleitungsmitglied des in Basel ansässigen Baugeschäfts «Stehelin & Vischer» sowie als Vizepräsident des Schweizerischen Baumeisterverbandes. Seine Passion gilt dem Reitsport. Dort präsidiert er mehrere Verbände.
Charles Barrier[v] (1906-1987) und Carl Schaeppi (1893-1986) ergänzen das Experten-Komitee. Die beiden hatten bereits im Frühling 1935 in Zürich die Kollektivgesellschaft «Schaeppi & Barrier» gegründet. Ihre Gesellschaft vermittelt Liegenschaften aller Art und ist in der Verwaltung tätig. Am Markt agiert man unter «Schaeppi Grundstücke». Nachweislich engagiert sich das Unternehmen in der Akquisition von Liegenschaften für die SIP. Davon zeugen Inserate in der Tagespresse. Das Beuteschema bilden «erstklassige Renditenhäuser in allen Schweizerstädten». Schaeppi Grundstücke obliegt auch die Immobilienverwaltung aller Liegenschaften. Der damalige Geschäftssitz befindet sich in der Zürcher Innenstadt an der Bahnhofstrasse 12. Dem Vernehmen nach soll Charles Barrier schon bei der Lancierung dieser Finanzinnovation – den Liegenschafts-Zertifikaten – seine Hände im Spiel gehabt haben. Verbürgt ist auf jeden Fall sein Engagement für den Grasshopper Club Zürich. Von 1957 bis 1962 präsidierte er deren Fussballsektion.
Städtefokussiertes Wohnportfolio
Der Prospekt über die Ausgabe von «Depot-Zertifikaten über Schweizerische Immobiliarwerte «Swissimmobil, Serie D» wird im Sommer 1938 aufgelegt. Eine neue Ära in der Finanzindustrie nimmt ihren Lauf. Das Angebot zur Zeichnung stösst auf eine rege Nachfrage. Schon im zweiten Jahresbericht zu diesen Liegenschaftszertifikaten wird ein ansehnlicher Immobilienbestand aufgelistet: Der Bilanzwert der Liegenschaften beträgt fast neun Millionen Franken. 312 Mietobjekte verteilen sich auf die Standorte Zürich, Basel, Bern, Biel, Arbon, Zug, Davos und Zug. Von insgesamt 292 Wohnungen lassen sich mehr als die Hälfte, nämlich deren 176, in der Stadt Zürich lokalisieren. Zudem machen Zwei- oder Dreizimmerwohnungen fast 73 Prozent des Wohnungsbestandes aus. 6 Mietobjekte werden als Büro und weitere 14 als Läden ausgewiesen. In der Stadt Zürich besitzt man Wohnhäuser im Seefeld an der Baurstrasse 30, 32, 34, 36, 38, in Wiedikon an der Schimmelstrasse 11 und an der Werdstrasse 121, 123, 125, in Unterstrass an der Stampfenbachstrasse 105, 107 sowie eine gemischt genutzte Liegenschaft an der Seefeldstrasse 26, 28, 32, 34. In der Stadt Basel ist man an der St. Alban-Anlage 33 mit einer Wohnliegenschaft und an der Missionsstrasse 61 mit einer gemischt genutzten Liegenschaft präsent. Eine solche befindet sich zudem in der Bundeshauptstadt an der Monbijoustrasse 75.
Aus dem Hause der SIP bleiben die Liegenschafts-Zertifikate der «Swissimmobil Serie D» vorerst das einzige liegenschaftsbasierte Anlagevehikel. Erst vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lanciert man ein Zweites. Es trägt die Bezeichnung «Swissimmobil Neue Serie» und überflügelt das eigene Original rasch. Denn bereits fünf Jahre nach der Gründung beläuft sich das Immobilienvermögen auf 240 Millionen Franken und Ende 1969 stehen schon 443 Millionen Franken zu Buche, währenddem dasjenige beim «Swissimmobil Serie D» lediglich bei knapp 73 Millionen liegt.
Mit dem «Interswiss» betreut die SIP einen weiteren hiesigen Immobilienfonds. Er wird bereits im Herbst 1954 gegründet. Dabei geht die Initiative von Karl Schweri (1917-2001) aus. Als die treibende Kraft hinter der Discounter-Kette «Denner» schreibt er Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Über Jahrzehnte hinweg macht er mit angriffigen Inserate-Kampagnen Schlagzeilen. Auch gleist er Volksinitiativen auf. Sein Engagement gilt dem Kampf gegenüber Kartellen und Monopolen. Mit der eidgenössischen Volksinitiative zur «Förderung des Wohnungsbaus», der sogenannten Denner-Initiative, die im Februar 1971 eingereicht wird, stösst er im Bundesparlament ungewollt eine Debatte über eine verfassungsmässige Verankerung des Mieterschutzes an. In der Volksabstimmung vom 5. März 1972 lehnt das Stimmvolk zwar die Denner-Initiative ab, stimmt aber einem Verfassungsartikel zu, der dem Schutz vor Missbräuchen im Miet- und Wohnungswesen gewidmet ist.
Auch im Immobiliensektor ist Schweri aktiv. Doch bei diesem Geschäft bleibt der Vollblutunternehmer bewusst im Hintergrund. Nach der Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über die Anlagefonds im Februar 1967 gerät sein Anlagevehikel «Interswiss» in Schieflage. Neben einer aggressiven Expansionspolitik des Fonds – in direkter Verbindung mit der Denner-Gruppe – machen das Fehlen einer Depotbank, eine dünne Eigenkapitaldecke sowie neue Vorschriften über Geschäfte mit nahestehenden Personen dem zuständigen Management zu schaffen. In dieser angespannten Situation übernehmen im Juni 1968 die beiden Grossbanken – der Schweizerische Bankverein und die Schweizerische Kreditanstalt – die «AGEMIT Aktiengesellschaft für Miteigentumswerte». Sie verantwortet die Fondsleitung für den «Interswiss». Die Käuferinnen übertragen im Zuge dieser Transaktion die Fondsleitung an die SIP. Dabei ergibt sich ein Beifang der besonderen Art. Die AGEMIT AG ist mit grosskalibrigem Gepäck unterwegs. Denn sie ist massgeblich an der Entwicklung eines Shopping-Centers in aargauischen Spreitenbach beteiligt. Das Einkaufszentrum wird 1970 eröffnet. Die Verkaufsfläche umfasst rund 25'000 Quadratmeter. Im Schweizer Detailhandel wird mit diesem Format eine neue Epoche aufgeschlagen. Alleiniger Eigentümer dieser riesigen Anlage ist – man höre und staune – der Immobilienfonds «Interswiss». Ende 1979 wird das Einkaufszentrum mit einem Verkehrswert von knapp 53 Mio. Franken in den Büchern des Fonds bilanziert. Das Shopping-Center Spreitenbach macht dabei rund 11.5 Prozent des geschätzten Verkehrswertes aller Grundstücke im Fonds aus. Es besteht eine frappante räumliche Vermögenskonzentration. Mit einer Kapitalisierungssatz von sage und schreibe 10.3% wird das Investments als deutlich überdurchschnittlich risikobehaftet taxiert. Der entsprechende Vergleichswert im eigenen Portfolio liegt bei lediglich 7.6 Prozent.
Auch Schweris zweiter Fonds – der «Interglobe» Internationaler Immobilien- und Wertschriften-Anlagefonds – kommt in Bedrängnis. Die zuständige Fondsleitung beschliesst im Mai 1967 die Auflösung des Fonds. Das Vehikel selbst ist grösstenteils in Frankreich, Kanada und den USA in Immobilien investiert. Daneben werden Wertschriften aus denselben und weiteren Ländern gehalten. Die Abwicklung dieses Anlagevehikels wird satte 14 Jahre in Anspruch nehmen. Begleitet wird sie von zahlreichen Rechtsstreitigkeiten. Die Anleger kommen sprichwörtlich mit einem blauen Auge davon. Unter dem Strich verlieren sie «nur» maximal 20 Prozent auf ihr ursprüngliches Engagement. Sie bezahlen auf jeden Fall Lehrgeld.
Ausflug nach Kanada: ein Absturz mit Ansage?
1954 gründet die SIP das Anlagevehikel «Canada-Immobil». Man wagt den Schritt ins Ausland. Im Bundesstaat Ontario lässt man im Zentrum von Toronto vier Wohnblöcke mit 929 Wohnungen, 372 Garagen und 302 offene Parkplätze bauen. Deren Adressen lauten: Alexander Street 31 und 51, Church Street 484 und Christie Street 580. Angeboten werden dort Ein- bis Dreizimmerwohnungen. Die gesamten Investitionskosten inklusive des Baulands belaufen sich auf knapp 53 Millionen Franken.
Die dahinterliegende Investorengeschichte ist einfach gestrickt: Die Wachstumsperspektiven der kanadischen Volkswirtschaft werden als vielsprechend gepriesen. Im Schlepptau dieses Wachstum folge eine starke Zuwanderung von Arbeitskräften. Letztere würde dadurch eine zusätzliche Nachfrage nach Wohnraum ausgelöst: Ende der Durchsage. Tatsächlich ist Toronto eine gute Wahl. Im Jahre 1967 beispielsweise liegt die städtische Leerstandsquote bei einem Prozent, im eigenen Bestand gibt es gar keine Leerstände; phasenweise existieren für die eigene Wohnungen Wartelisten. Andere Städte wie Calgary oder Quebec weisen zur selben Zeit Leerstandsquoten von über 5 Prozent aus. Die generierten Mieteinnahmen belaufen sich auf rund 6.4 Millionen Franken pro Jahr. Eine Erfolgsgeschichte? Leider nein.
Im Juni 1982 beschliesst die SIP als Fondsleitung, den Immobilienfonds ««Canada-Immobil» zu liquidieren. Zwar hatten sich seine Inventarwerte in lokaler Währung – dem kanadischen Dollar – günstig entwickelt, nicht aber in Franken. Die Währungsverluste über die Jahre sind schmerzhaft. So bildet sich der geschätzte Verkehrswert der Liegenschaften in Franken mit der laufenden Abwertung des kanadischen Dollars stetig zurück. Folglich fällt die Wertänderungsrendite oftmals negativ aus. Kommt hinzu, dass das Mietrecht der Provinz Ontario in den 1970er-Jahren neu reguliert wird. Die Schweizer Fondsleitung mutmasst, dass unter diesen veränderten mietrechtlichen Vorschriften «eine angemessene Steigerung der Ertragskraft des Anlagefonds» nicht mehr möglich sei. Auch eine schleichende Verschlechterung der fiskalischen Rahmenbedingungen in Kanada setzen den getätigten Investitionen mehr als nur einzelne Nadelstiche zu. Phasenweise beträgt die Steuerlast 25 Prozent auf die Bruttomieteinnahmen. Die Betriebsrechnung des Fonds zeigt ein trübes Bild.
Mit dem Ziehen der Reissleine sollen alle Liegenschaften verkauft werden. Doch der Prozess der Liquidation verläuft nicht reibungslos. Der Grund war eine Schadensersatzklage einer Wohnungsmieterin. Obwohl sich die fragliche Liegenschaft an der «Christie-Street 580» in Toronto bereits in neuen Händen befand, gilt es, allfällige Regressansprüche gegenüber der Verkäuferin abzuwarten. Ein weiterer finanzieller Schaden kann jedoch ausgeschlossen werden. Denn die kanadische Gesellschaft, die Verkäuferin, ist entsprechend versichert. Im September 1984 erfolgt die letzte Liquidationsauszahlung an die Anleger. Der Ausflug nach Kanada endet für die Anleger in einem Fiasko.
Schrittweise Auflösung im Nirwana von Konzernen
Zurück zum ersten Immobilienfonds der Schweiz: Die Fondsleitung des «Swissimmobil Serie D» obliegt der SIP bis zum September 1999. Die Gesellschaft betreut das dazu-gehörige Immobilienportfolio rund 61 Jahren. Im Juli 1999 wird sie, die Fondsleitung, von der Credit Suisse Asset Management Funds übernommen. Und gute zwei Jahre später – 63 Jahre nach der Gründung – folgt eine epochale Veränderung. Der Immobilienfonds «Swissimmobil Serie D» verschwindet von der Landkarte der hiesigen Anlageprodukte. Im September 2001 endet seine Geschichte als eigenständiges Anlagevehikel. Die Credit Suisse fusioniert ihn zusammen mit zwei weiteren zur Credit Suisse gehörenden Immobilienfonds – namentlich sind es der «Siat» und der «Siat 63» zum CS REF Siat. Dahinter stehen im Total 470 Liegenschaften mit einem geschätzten Marktwert von rund 1.4 Milliarden Franken. Am letzten Tag seiner eigenständigen Existenz beträgt der geschätzte Verkehrswert des Immobilienfonds «Swissimmobil Serie D» 211.8 Millionen Franken. Von dieser Summe lassen sich fast 90 Prozent in einer der fünf Grossstädte der Schweiz, also in Basel, Bern, Genf, Lausanne oder Zürich, lokalisieren. Die Stadt Zürich bildet während der gesamten Anlagedauer bis zum Zeitpunkt der angesprochenen Fusion den räumlichen Anlageschwerpunkt. Nachweislich sind zudem sieben der acht Liegenschaften, die per Ende 1939 im Anlagevermögen der Liegenschafts-Zertifikate geführt werden, Teil der beschriebenen Fusion im Jahre 2001. Ihr damaliger kumulierter geschätzter Verkehrswert betrug knapp 44.3 Millionen Franken. Fazit: Die über die Jahrzehnte verfolgte räumliche Allokation mit einem Fokus auf urbane Grosszentren war und ist eine exzellente Wahl. Sowohl bei der Wahl der Strategie als auch bei der Umsetzung haben die Entscheidungsträger über Jahrzehnte hinweg auf die richtige Karte gesetzt. Besser geht es nicht.
Im März 2023 wird das Ende der Grossbank Credit Suisse besiegelt. Der Finanzkonzern wird von der langjährigen Rivalin, der UBS, übernommen. Damit endet die Geschichte der einst vom Zürcher Alfred Escher gegründeten Schweizerische Kreditanstalt abrupt. Auf einem Nebenschauplatz schliesst sich damit ein Kreis: 1939 übernehmen der Schweizerische Bankverein und die Schweizerische Kreditanstalt die Aktienmehrheit an der SIP. Im Dezember 1997 wird publik, dass die Schweizerische Bankgesellschaft und der Schweizerische Bankverein zur UBS fusionieren werden. Und im Laufe des Jahres 1999 übernimmt die Credit Suisse Asset Management Funds die Fondsleitung der SIP und führt mehrere Immobilienfonds unter ihrem Dach zusammen. Doch rund 25 Jahre später verschwindet nach dem Schweizerischen Bankverein auch die Credit Suisse von der hiesigen Wirtschaftslandkarte. Was bleibt, sind die ersten Immobilienfonds von Kontinentaleuropa im Schosse der UBS.
Und die Moral der Geschichte
Wer hat's erfunden? Findige Bankiers am Rheinknie. Ja, es gab Zeiten, da war die Schnittstelle zwischen Finanzwelt und Immobilien noch bahnbrechend innovativ. Seither ist nichts Neues gekommen. Disruptionsgeschaffel hin oder her.
Quellen:
[i] Sociéte Internationale de Placements (Hrsg.): 50 Jahre Sociéte Internationale de Placements, die erste schweizerische Fondsleitung, 1930-1980 Rückschau und Ausblick, Basel 1980.
[iv] «NZZ» vom 27. Dezember 1940, zweite Morgenausgabe, S. 14.