Die Zahl des Tages: Wer wagt eine Schätzung?
- Dr. Dr. Üsé Kuba Hausmann

- 5. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Mein Fokus gilt dem hiesigen Markt für Bauland und seiner Finanzierung. Seit Jahren beschäftige ich mich mit diesem Stiefkind des Immobilienmarktes. Sowohl der Bestand von bebautem wie unbebautem Bauland als auch der dazugehörige Transaktionsmarkt fristet ein Mauerblümchendasein. Es herrscht ein eigenartiges Vakuum. Dabei liegt dort messerscharf der Brennpunkt von so virulenten Themen wie Zersiedelung, Verdichtung oder Landschaftsschutz. Der Schlussbericht des letzten nennenswerten Nationalen Forschungsprogramms «Nutzung des Bodens in der Schweiz » wurde – sage und schreibe – im Jahr 1991 publiziert! So weit, so gut.
Heute habe ich Datenmaterial von zwei Statistiken miteinander kombiniert. Eine erste Quelle bildet die Bauzonenstatistik. Sie stammt aus der Küche des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE). Eine zweite Quelle, die ich angezapft habe, ist die periodische Erhebung zum Hypothekenbestand in der Schweiz. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) pflegt diese Datenbestände seit vielen Jahrzehnten. Letztere ergänzte ich mit weiteren Datenbeständen zu grundpfandgesicherten Krediten in der Schweiz (u. a. Statistiken zu Versicherungen und Pensionskassen).
Es geht also um die Schnittstelle zwischen Bauland und Schulden. Letzteres sind in vielerlei Hinsicht ein (politischer) Dauerbrenner. Nicht nur Bundesbern lässt grüssen. Die hypothekarische Verschuldung in der Schweiz wächst Jahr für Jahr. Nach dem 2. Weltkrieg betrug sie gemessen am damaligen nominalen Bruttoinlandprodukt (BIP) rund 51 Prozent. Mitte der 1990er-Jahre wurde die Marke von 100 Prozent überschritten. Heute bewegt sich diese Kenngrösse bei rund 147 Prozent am nominalen BIP (Vgl. Titelbild dieses Blogs).
Nun meine kleine Schätzfrage: Wird der gesamte Bestand an gegenwärtig ausstehenden Hypotheken durch den Bestand aller Bauzonen der Schweiz dividiert, ergibt sich welche hypothekarische Verschuldung pro Quadratmeter Bauland? Schwierig. Ich hatte ex ante keinen Schimmer. Als Hilfestellung folgende zwei Anmerkungen: Aktuell dürfte der Bestand aller Hypotheken in der Grössenordnung von 1,3 Billionen Franken liegen (Stand per Ende 2024). Zudem wird bei den Bauzonen nicht unterschieden, ob sie schon bebaut oder noch unbebaut sind.
Ergebnis: Unter dem Strich ergibt sich ein Betrag von 555 Franken Verschulung pro Quadratmeter Bauland. Alter Schwede! Welchen Betrag hast du geschätzt?
Freilich ist der ermittelte Kennwert nicht geläufig und anspruchsvoll zu interpretieren. Er dürfte hier erstmals überhaupt berechnet und publiziert worden sein. Aber zu Beginn der ökonomischen Nahrungskette steht hinter jeder Hypothek ein Stück Erdoberfläche. Insofern besitzt er eine grosse Relevanz im volkswirtschaftlichen Datenkranz. Folgende Vergleichsgrösse mag als Orientierung für die Interpretation helfen: Dividiert man das nominale BIP vom Jahr 2023 (exklusive Landwirtschaft) durch den Bestand an Bauzonen resultiert ein Wert von rund 336 Franken pro Quadratmeter. Auf dem Bestand an Bauland in der Schweiz, dem Produktionsfaktor Boden, lastet offensichtlich eine massive Schuldenlast. Sie beträgt gut 165% des schweizerischen BIP. Nimmt man die Zinszahlungen pro Jahr als Bezugsgrösse, ergibt sich aktuell ein Wert von knapp 10 Franken pro Quadratmeter Bauland und Jahr, der als Schuldendienst zu leisten ist.
Die Datengrundlagen mit Blick auf Bauland, sei es überbaut, sei es unbebaut ist notorisch schlecht. Fundierte ökonomische Analysen – insbesondere Zeitreihenanalysen – sind daher nicht möglich oder nur mit grössten Vorbehalten zu geniessen. Deshalb findet ihr – liebe Leserinnen und Leser – nachfolgend alternative Zeitreihen zur Entwicklung der hypothekarischen Verschuldung. Sie decken den Zeitraum von 1948 bis 2023 ab. Bezugsgrössen sind einerseits das nominelle BIP pro Jahr und andererseits die mittlere jährliche Verzinsung der jeweiligen Hypothekarschulden.

Die Moral von der Geschichte
Die Aussage der Grafik ist so banal wie eindeutig: Seit rund 20 Jahren profitieren die Schuldner von grundpfandgesicherten Krediten massiv von den tiefen Nominalzinsen. Eine Einschränkung: Die Preise für Grundstücke und Liegenschaften sind in diesem Zeitfenster mehrheitlich durch die Decke gegangen. Das trifft zu. Wer also erstmals oder neu Grundeigentum kaufte, musste folglich entsprechend tiefer in die Tasche als in früheren Jahren greifen. Aber für Langzeitschuldner in Hypothekarkreditverträgen sind die Rahmenbedingungen – zumindest nominell – paradiesisch. Zur Veranschaulichung: Im Jahre 2002 mussten die Kreditnehmer in absoluten Zahlen denselben Schuldendienst leisten wie 2023. Aber statt 1,2 Billionen Franken erhielt man damals «nur» 540 Milliarden Franken an Hypothekarkrediten. Seit Jahren geniessen viele Grundeigentümer in der Schweiz eine Art von «Zinsdividende». SNB sei Dank. Die Höhe und das Ausmass der volkswirtschaftlichen Kollateralschäden werden wir nie erfahren.




