top of page

Schweizer Anlageliegenschaften mit Teflon-Qualitäten? Eine Wette läuft


Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie entwickeln sich die Preise für Baumaterialien und Bauleistungen nur noch in eine Richtung: Sie stiegen und steigen explosionsartig an. Der jüngste Anstieg ist besonders augenfällig, denn zuvor herrschte über zehn Jahre Preisstabilität. Unternehmerische Präsenz im Baugewerbe ist kein Streichelzoo. Ein Umgang mit harten Bandagen ist üblich. Realität: Der Preiskampf fällt – von wenigen Sonderkonstellationen abgesehen (…) – seit Jahrzehnten äusserst aus.


Betrachtungen im Rückspiegel: handfeste Erkenntnisse


Im Rückblick lassen sich vier typische Phasen herausfiltern, in welchen die Preise für Bauleistungen äusserst rasant angestiegen sind: Im 2. Weltkrieg, während der Hochkonjunktur Ende der 1960er-Jahren, Inflationsschub gegen Ende der 1980er-Jahre sowie während der aktuellen Phase mit weltwirtschaftlichen- und geopolitischen Verwerfungen. Die Muster dahinter lassen sich einfach erkennen: Physische Knappheit von Baumaterialen und Rohstoffen, notorischer Nachfrageüberhang sowie das Wirken einer allgemeinen Lohn-Preis-Spirale. Für die absehbare Zeit kann nicht ausgeschlossen werden, dass uns ein Cocktail vorgesetzt wird, in dem alle diese Ingredienz vorhanden sind. Es droht Katergefahr.


Neben der laufenden Debatte, ob die Assetklasse «Immobilien» bzw. welche Immobilienanlagen einen mehr oder weniger ausgeprägten Schutz gegen die aufkommende Inflation bieten, scheint mir eine ergänzende Betrachtungsweise mindestens so interessant zu sein: eine Einschätzung zu zukünftigen Betriebs- und Unterhalts- sowie Instandstellungskosten von Gebäuden. Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass vermeintlich kurzfristige Preisausschläge nach oben sich nicht wieder zurückbilden, sondern bleiben.


Diesem sogenannten Sperrklinkeneffekt gilt es in den nächsten Wochen, Monaten und wahrscheinlich Jahren höchste Aufmerksamkeit zu schenken.

Dessen Wirkung auf die Assetklasse «Immobilien» lässt sich schon jetzt glasklar antizipieren: Die Rentabilität von Anlageliegenschaften mit Cashflows (typischerweise Mehrfamilienhäuser mit Mietwohnungen oder Geschäftsliegenschaften) kommt noch mehr unter Druck. Sie wird – so oder so – abnehmen.


Aufgepasst vor verborgenen Transmissionsmechanismen


Dazu eine triviale, aber allgemeingültige Illustration: Es geht um Versicherungsleistungen bzw. die Höhe der jährlichen Prämienzahlungen. Sachversicherungen wie etwa einer Haushaltsversicherung sind an die Entwicklung der allgemeinen Teuerung geknüpft. Analog funktionieren Gebäudeversicherungen. Die Höhe und auch die Veränderung der Versicherungssumme stützen sich auf die Baukosten bzw. an die Entwicklung der Preise für Bauleistungen. 2023 werden die Prämien steigen. Die Betriebskosten steigen dadurch, wenn auch nur marginal. Interessant ist das Niveau der Prämienerhöhung, sondern vielmehr der skizzierte Transmissionsmechanismus auf die zukünftigen mutmasslichen Cashflows von Anlageliegenschaften.


Moral von der Geschichte


Die absehbare Erhöhung der Prämien für die Gebäudeversicherung ist nicht mehr als eine Anekdote. Knüppeldick dürfte es hingegen für jene Eigentümer von bestehenden Anlageliegenschaften kommen, die gegenwärtig zeitnahe bauliche Massnahmen planen oder sich schon damit in der Umsetzungsphase befinden. Die eigentlichen Wermutstropfen dürften mancherorts darin bestehen, dass erstens im Zuge dieser baulichen Massnahmen vielleicht auch sogenannte wertvermehrende Investitionen getätigt werden, diese aber nicht auf die Mieter überwälzt werden können. Besonders gravierend und virtuell ist ein zweiter Punkt: Die mutmasslich geschätzten Marktwerte solcher Anlageliegenschaften dürften – ceteris paribus betrachtet – zum Zeitpunkt der der nächsten Verkehrswertschätzung eine spürbare Delle erfahren.


Gretchenfrage: Wann und wie passen die Marktakteure ihre Annahmen an


Genau hier liegt der springende Punkt: Bei der Ausarbeitung von Jahresendbewertungen per Ende 2019 oder 2020 und auch noch per Ende 2021 konnten naturgemäss selbst die versiertesten Immobilienschätzer diesen exogenen Baukostenpreisschock nicht in ihren DCF-Bewertungen antizipieren. Alles andere wäre reines Kaffeesatzlesen oder ein mirakulöser Geistesblitz gewesen. Dasselbe gilt für die Marktteilnehmer, die bis dato solche Liegenschaften kauften. Die Vorgehensweise der Immobilienschätzer oder die Anlageentscheidungen der Marktteilnehmer auch nur ansatzweise zu kritisieren, wäre grundfalsch.


Aber in der Zwischenzeit hat sich die einschlägige Realität nachweislich und mit belastbarem Datenmaterial belegbar verändert. Bauen in der Schweiz wird mehr kosten. Die Kostenbenchmarks, die zur Orientierung bei Anlageentscheidungen dienen, bedürfen einer angemessenen Neueichung.


Fazit: Man darf gespannt sein wie vor allem die Marktteilnehmer selbst aber auch die Immobilienschätzer in dieser Konstellation in den nächsten Monaten und darüber hinaus agieren werden. Ob die grosse Mehrheit der hiesigen Anlageliegenschaften tatsächlich die Qualitäten eines Schweizer Sackmessers besitzt, bleibt eine spannende Geschichte. Es lohnt sich, sie weiterhin aufmerksam zu verfolgen.


Quellen:

https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home.assetdetail.22786451.html

https://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/statistik/themen/bauen-wohnen/wohnbaupreisindex/indexreihen.html#zuercher_index_derwohnbaupreisebasisjuli1939100


Bildquelle:

Nur Hochbau dargestellt, angepasst durch den Autor.



bottom of page