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Wem gehören welche Immobilien in der Schweiz?


Hätten Sie auch gerne eine Antwort auf diese Frage? Als bekennender Daten-Aficionado im Bereich Immobilien interessiert mich auch der angesprochene Themenkomplex seit gefühlten 25 Jahren. Dieser Blog widmet sich aus aktuellem Anlass dieser Materie. Eine Medienmitteilung des Bundesrats hat mich dazu animiert. Dabei geht es um nichts weniger als die erstmalige und schweizweite datentechnische Handhabung von Immobilienvermögen in der Höhe von Billionen Schweizer Franken. Denn eines von noch vielen ungelüfteten Geheimnissen besteht hierzulande darin, wem nun das standortgebundene Vermögen (also von Immobilien bzw. von Grundstücken) in der Schweiz gehört. Mehr als Spekulationen, Mutmassungen oder rudimentär modellierte Schätzgrössen existieren bisher dazu nicht; also ein klassiches Buch oder besser Register mit sieben Siegeln. So kommt es nicht von ungefähr, dass bei statistischen Erhebungen zum Vermögensstand von Privathaushalten die Assetklasse Immobilien in aller Regel bewusst ausgeklammert wird. Zu dornenreich präsentiert sich das entsprechende Terrain. Es existieren offensichtlich zahlreiche Fallstricke und methodische Herausforderungen.


Ein grosser Wurf in den Startlöchern?

Vor wenigen Tagen (konkret am 14. Oktober 2020) veröffentlichte der Bundesrat Materialien zur Vernehmlassung über eine geplante Revision der Grundbuchverordnung (GBV). Mit der angestrebten Veränderung der GBV sollen bereits im Dezember 2017 vom Bundesparlament beschlossene Änderungen des Zivilgesetzbuches (ZGB) im Bereich des Grundbuchs praktisch umgesetzt werden. Die rechtliche Grundlage bilden dereinst Art. 949b und Art. 949c ZGB. Es wird also «reguliert». Worum geht es bei dieser eher technisch anmutenden Anpassung einer bundesrechtlichen Verordnung?


Mit dem angesprochenen Revisionsvorhanben soll einerseits die Eigentümerschaft von Personen an Grundstücken eindeutig und ohne Einschränkungen identifizierbar gemacht werden. Zur Verknüpfung von natürlichen Personen und deren Profil mit Grundstücken soll die AHV-Nummer als Personenidentifikator im Grundbuch verwendet werden. Die AHV-Nummer ergänzt damit die wenigen, bisher schon erhobenen und registierten biografischen Angaben zu natürlichen Personen (u. a. Vornamen, Namen oder Geburtsdatum), die im Grundbuch festgehalten sind. Die Richtigkeit des Ergebnisses bei der geplanten Zuordnung soll zweifelsfrei gewährleistet werden können. Ein hoher und keinesweg selbstverständlicher Anspruch.


Anderseits soll für Behörden eine landesweite Suche nach Grundstücken möglich sein, an denen eine Person «Rechte» (z. B. Eigentumsrecht) zukommen. Beispiel: Mittels einer einzigen Datenbankabfrage mit einer spezifischen AHV-Nummer, die eindeutig einer natürlichen Personen «NP» zugehörig ist, lässt sich schweizweit eruieren, ob und allenfalls wo überall «NP» Grundeigentümer in der Schweiz ist. Das tönt nicht nur revolutionär, sondern es wäre bahnbrechend. Freilich können diesen «Grundstückssuchdienst» dereinst nur die öffentliche Hand, sprich berechtigte Behörden nutzen. Inhaltlich und prozessual handelt es dabei – so oder so – um einen Quantensprung. Statt in 26 Kantonen je aufwändige und fehleranfällige Recherche-Arbeit verrichten zu müssen, verspricht die angedachte Lösung hochwertiges und fehlerfreies Datenmaterial auf Knopfdruck in Echtzeit! Dieser Dienst soll ab dem Jahr 2022 durch den Bund betrieben werden, namentlich durch das Eidgenössische Amt für Grundbuch- und Bodenrecht (EGBA).


Drei zeitgemässe Gedanken zum Projekt

Unabhängig von weitläufigen Themen wie etwa Datenschutz, Persönlichkeitsschutz, Eigentumsgarantie oder auch IT-technischen Aspekten sollen nachfolgend drei Aspekte in aller Kürze behandelt werden:


Die angedachte nationale Abfragelösung beschränkt sich inhaltlich erstens zumindest auf den ersten Blick nur auf die datenbankmässige Abbildung von natürlichen Personen mit deren Grundstücken. Im Zuge der Revision des Zivilgesetzbuches im Jahre 2017 lag der inhaltiche Fokus zwar durchwegs nur auf den natürlichen Personen. Aber aus dem vorliegenden erläuternden Bericht zur Anpassung der Grundbuchverordnung sollen auch Abfragen zu juristischen Personen (z. B. einer AG) sowie zu Kollektiv- und Kommanditgesellschaften möglich sein. Als Kriterium sind dann die Firma (Name der Organisation) oder die Unternehmens-Identifikationsnummer (UID) anzuwenden. Erst ein umfassendes Personenverständnis stellt nämlich sicher, dass hochwertige, treffsichere und möglichst vollständige Abfrageergebnisse überhaupt erzielbar sind. Insofern hat der Gesetzgeber die Materie in diesem Punkt zu Ende gedacht. Was aber stutzig macht, ist das Folgende: Im Entwurf der Grundbuchordnung wird konsequent nur vor der AHV-Nummer, nicht aber von der UID-Nummer gesprochen. Zur sorgfältigen Klärung dürfte es aber unabdingbar sein, dass die Erfassung, die Pflege sowie die Abfragemöglichkeit in Bezug sämtliche «Personen» sauber definiert und festgelegt wird. Alles anderes bringt nur Rechtsunsicherheit. Als Aussenstehender kann man sich dem Anschein nicht erwehren, dass bezüglich des Gesetzestextes entsprechende Nachbesserungen unabdingbar sind.


Zweitens soll der geplante landesweite Grundstücksuchdienst nicht nur Abfragen nach der blossen Eigentümerschaft erlauben, sondern auch nach Rechten an Grundstücken. Es geht um Dienstbarkeiten, Grundpfandrechten sowie «vorgemerkte Rechte». Beispielhaft gemeint sind damit etwa Baurechte, Wohn- oder Wegrechte. Die maximal zulässige Einsicht pro Abfrage ist auf die jeweilige Berechtigung beschränkt. Person X hat ein Wegrecht an der Parzelle Y. Darüber hinausgehende Informationen sollen nur in besonders begründeten Fällen möglich sein. Gleichwohl eröffnet der Gesetzgeber mit diesem sachlichen Geltungsbereich nicht nur ein weites Feld, sondern ein fast uferloses. Niemand hat auch nur annähernd eine Vorstellung, in welchen quantitativen Dimensionen man sich hier bewegt, zumal bereits die Anzahl Grundstücke und Liegenschaften unbekannt ist Die Übungslage darf daher als ambitioniert bezeichnet werden. Ob damit nicht gar ein Fass ohne Boden kreiert wurde, wird sich weisen. Aus Kosten-Nutzen-Überlegungen heraus wäre aber eine Priorisierung in der Erfassung durchaus ein Gedanke wert.


Drittens sieht Art. 164a Abs. 5 lit. a bis c GBV vor, dass innert zwei, fünf oder sieben Jahren nach Inkrafttreten der geänderten Verordnung sämtliche natürliche Personen mit einer AHV-Nummer versehen sind. Die Abstufung der Fristen ist an die Zeitpunkte der jeweiligen Eintragungen in den Hauptbüchern der Grundbuchämter geknüpft. Zudem sollen bereits ein Jahr nach dem Inkrafttreten der neuen Normen entsprechende Abfragen in den Kantonen über das Eidgenössisches Amt für Grundbuch- und Bodenrecht (EGBA) möglich sein. Nach der Massgabe des erläuternden Berichts des Bundesamtes für Justiz obliegt es den Kantonen, die Zuordnung der AHV-Nummer vorzunehmen. Wer schon einmal mit Daten und dazugehörigen Zuordnungsalgorithmen gearbeitet hat, dürfte eine leise Ahnung haben, welcher Aufwand sowohl mit der erstmaligen Datenverknüpfung und -erfassung als auch mit der Datenpflege im Zeitverlauf verbunden ist. Man muss an dieser Stelle freilich kein Hellseher sein, um die eingangs genannten Fristen als «sehr sportlich» bis gar als blauäugig zu taxieren. Wenn dereinst Projektverzögerungen vermeldet würden, dürfte sich zumindest in eingeweihten Kreisen die Überraschung darüber in Grenzen halten. Zur Vermeidung von allfälligen Missverständnissen: Hier geht es nicht um mögliche IT-Risiken, die hier selbstverständlich ebenfalls existieren, sondern um mögliche Kalamitäten bei den Daten und dem Datenmanagement. So technisch und nüchtern der Entwurf der ergänzten Grundbuchverordnung daherkommt, so komplex und anspruchsvoll dürfte sich das geplante Vorhaben in der Realität erweisen. Oder mit anderen Worten: Hier kommen neue Aufgaben auf die Grundbuchämter zu, die in dieser spezifischen Form bis dato in der Regel nicht zu den Kernkompetenzen der dort tätigen Akteuren – sprich den Angestellten in Grundbuchämtern – zählen dürften.


Masterplan für einen Helvetischen Kataster

Zum Schluss noch dies: Die Idee, einen landesweiten Ein- und Überblick über die individuell-konkreten Eigentumsverhältnisse von Grundstücken und Liegenschaften zu haben, ist keineswegs nicht neu. Bereits in der Helvetischen Republik um 1800 wollten die damaligen Behörden einen flächendeckenden und lückenlosen «Helvetischen Kataster» aufbauen. Das Mammutprojekt blieb trotz professioneller Planung und grossem Ressourceneinsatz in den damaligen Kantonen vielerorts unvollendet. Nebenmerkung: In den Staatarchiven der Kantone findet sich dazu teilweise umfassendes und gut erhaltenes Datenmaterial. Es bleibt nun abzuwarten, ob sich über 200 Jahre später im Zeitalter der omnipräsenten Digitalisierung ein Projekterfolg im erwarteten Rahmen einstellen wird. Kommt hinzu, dass man auf dem Gebiet der Stadt Zürich zwischen 1875 und 1998 bereits eine bemerkenswerte und privilegierte einschlägige Datensituation besass. Denn im «Adressbuch der Stadt Zürich» waren nicht nur die Mieter, sondern auch die Eigentümer aller bebauten Grundstücke, die sich auf Stadtgebiet befanden, feinsäuberlich namentlich aufgeführt: eine analoge Datenfundgrube quasi zum Gratistarif für alle und nicht nur für berechtigte Behörden. (Markt)-transparenz war damit zumindest in der Stadt Zürich über 100 Jahre hinweg eine kultivierte Selbstverständlichkeit.

Quellenangaben:

https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2014/3551.pdf

https://www.admin.ch/opc/de/official-compilation/2018/4017.pdf

https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-80702.html


Bildnachweis:

Staatsarchiv Zürich: Helvetischer Kataster für die Gemeinde Zollikon. Einfärbung erfolgte durch den Autor.

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