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Pandemiebedingtes Artefakt revitalisiert: Mietpreisindex für die Zürcher Bahnhofstrasse



Episode aus Ausgangspunkt

Just vor einem Jahr hätte ich einen Vortrag über die Zürcher Bahnhofstrasse halten sollen. Bedingt durch die Corona-Pandemie fand die Veranstaltung nicht statt. Die Einladung dazu ist digitale Makulatur, nicht aber der Inhalt des geplanten Referats. So schlummert dieser Beitrag seit letztem Frühling auf meiner Harddisk. Ich hätte Zürich's bekannteste Strasse unter einem wirtschaftshistorischen Blickwinkel unter die Lupe genommen. Daher war und ist die gewählte Übungsanlage frei von Tagesaktualität. Sie besitzt weder ein Verfallsdatum noch eine Halbwertszeit. Inhaltliche Grundlage und Ausgangspunkt zur gemachten Analyse bietet mein Buch zur Geschichte der Immobilienbewertung in der Schweiz (vgl. unten bei Quellen).


Gedankenexperiment: «Prime Tower» als Numéraire

Die 80 Grundstücke, die einen direkten Anstoss an die Bahnhofstrasse besitzen, sind als standortgebundenes Vermögen betrachtet wertvoll. Deren aggregierten Schätzwerte – sprich die Summe aller geschätzten mutmasslichen Marktwerte – dürften ohne Zweifel einiges auf die Waagschale bringen.


Eine erste Preisfrage: Wieviele «Prime Tower» repräsentieren das wertmässige Äquivalent zu den an der Bahnhofstrasse gelegenen Liegenschaften? Nach der hausmann'schen Milchbüchli-Rechnung dürfte ein Portfolio mit rund 30 «Prime Towern» eine angemessene wertmässige Gegenposition darstellen. Das ist zugegebenermassen eine krude, aber approximativ betrachtet, doch nicht ganz falsche Überschlagsrechnung. Beide dieser «Portfolios» besitzen einen geschätzten Marktwert von je knapp 20 Milliarden Schweizer Franken (Stand per Ende 2018). Ginge es «nur» um ein cashflowbezogenes Äquivalent, wären die Mieterträge von 20 entsprechenden Hochhäusern notwendig.


Eine zweite Preisfrage: Welches Portfolio würdest Du im April 2021 wählen bzw. erwerben, wenn sie beide – ein hatten je zu ihrer Zeit betrachtet mit mehr Unsicherheit zu leben und zu kämpfen? Die Zeitzeugen der Spanischen Grippe oder diejenigen, welche in Zeiten der Corona-Pandemie agieren? Ein Lin Lehrstück in Lehrstück i Lehrstück Lehrstück Lehrstüc Lehrstü Lehrst Lehrs Lehr Leh Le L er heute real existierende «Prime Tower» und die hypothetische Mikrolage die Qualität der Bahnhofstrasse hätte, d. h. die beste Mikrolage für Büroflächen. Sie, die Hochhäuser, wären Eannahmegemäss vollvermietet.


Vor dem manifesten Ausbruch der Corona-Pandemie wäre die Entscheidungsfindung bei der Fragestellung in der Tendenz wohl merklich einfacher gewesen. Aber seit geraumer Zeit schiessen so viele Trends, neue (vermeintliche) Realitäten, Spekulationen und Mutmassungen ins Kraut, dass eine verlässliche und fundierte Einschätzung und eine stimmige argumentative Untermauerung der zu treffenden Wahl so oder so viel Diskussionsstoff liefern dürfte.


Mietpreisindizes für Verkaufs- und Büronutzung von 1917 bis 2019

Ein Ei (wohl Bioqualität) kostete im Februar 1917 genau 33 Rappen. Heute bezahlt man dafür rund 80 Rappen. Sein Preis hat sich um den Faktor 2.4 erhöht. Für ein Kilo Zucker musste man vor rund 104 Jahren den Betrag von 1 Franken und 40 Rappen bezahlen. Heute reicht dazu exakt 1 Franken, um dasselbe Gut zu kaufen. Letzteres ist nominal – und selbstredend real – frappant günstiger geworden. Der Jahresmietzins einer Dreizimmerwohnung in der Stadt Zürich belief sich 1917 auf 710 Franken. Hundert Jahre später bewegt man sich im Mittel in der Grössenordnung von 18'000 bis 24'000 Franken. Wie sieht es bezüglich der Mietpreise für Verkaufs- und Büroflächen an der Zürcher Bahnhofstrasse aus?


Gestützt auf einem Konvolut, bestehend aus Steuererhebungen, Mietverträgen, Mieterspiegeln, statistischen Erhebungen, Inseraten sowie publizierten Expertenmeinungen, sind zwei Mietpreisindizes für die Zürcher Bahnhofstrasse entstanden. Es handelt sich um Modellierungen. Die beiden nominalen Indizes (vgl. Datei unten zum Download) sollen ein Gefühl, aber auch nicht mehr, für die historische Entwicklung der Spitzenmietzinsen pro Quadratmeter Hauptnutzfläche geben (gemessen als Rohbaumiete pro Jahr exklusive Nebenkosten).


Die Zeitreihen starten noch während der Zeit als der 1. Weltkrieg tobte. Ein Jahr später brach zudem die berüchtigte «Spanische Grippe» aus. Im Jahr 1917 bewegte sich die Spitzenmiete bei Verkaufsflächen um 300 Franken, diejenige für Büroflächen bei rund 60 Franken pro Jahr. Die nominalen Niveaus dieser Mietpreise erhöhten sich in den vergangenen gut 100 Jahren nachweislich merklich stärker als beispielsweise der Landesindex der Konsumentenpreise oder der Baukostenindex der Stadt Zürich. Auf welchen Niveaus die aktuellen Spitzenmieten ansetzt werden, ändern die Grundsage nicht wesentlich. Die ökonomische Erklärung: Entsprechende Liegenschaften mit den dazugehörigen kommerziellen Nutzflächen an dieser Mikrolage waren damals – vielleicht noch mehr als heute – äusserst knappe Güter. Es kann daher auch nicht erstaunen, dass die Preise für Bauland an der Bahnhofstrasse zu jener Zeit locker um einen Faktor 1'000 (!) höher lagen als die Preise für Bauland, das zum selben Zeitpunkt in den Aussenquartieren der Stadt gehandelt wurde.


Und die Moral der Geschichte?

Bevor die Goldenen Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts begannen, lebten die Menschen hierzulande und im restlichen Europa in einem Kontext von grösstmöglicher Unsicherheit: Weltkrieg, Seuche, Inflation, Notrecht und politische Instabilität (Stichwort: Landesstreik in der Schweiz) fokussiert und konzentriert unter dem Brennglas der Geschichte.


Welcher wagemutige oder auch leichtsinnige Investor hätte damals ahnen können, dass sich die Bahnhofstrasse in Zürich zu einem 10 teuersten Immobilienmärkte der Welt entwickeln würde?


Eine letzte Preisfrage in diesem Blog (die Antwort auf sie kenne ich nicht): Welche Immobilienmarktteilnehmer hatten je zu ihrer Zeit betrachtet mit mehr Unsicherheit zu leben und zu kämpfen? Die Zeitzeugen der Spanischen Grippe oder diejenigen, welche in Zeiten der Corona-Pandemie agieren? So oder so liefert das reale Wirtschaftsleben immer noch das beste Anschauungsmaterial wie die Psychologie von Investoren oder von Anlegern funktioniert.


Download der Folien (Preisindizes)


Quellenangabe:

Hausmann Urs, Liegenschaften wertgeschätzt, Edition Hochparterre, Zürich 2019

Vgl. auch die Datenangaben am Schluss der Präsentation.

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