Nächsten Sonntag endet meine Jogging-Saison traditionell mit der Teilnahme am Zürcher Silvesterlauf. Mit der 20. Teilnahme kann ich ein persönliches Jubiläum feiern. Mein Ziel: Leistungsniveau halten. Dafür ist regelmässiges Trainieren sicherlich hilfreich. Mein Laufrouten lassen sich zwischen Uni Irchel und dem Zoo verorten.
In den letzten Wochen traf ich in genannten Perimeter immer wieder Einzelpersonen, Familien oder Gruppen von Menschen, die Äste und Zweige von Tannen mit sich trugen. Gefühlt jede 20. Person hatte sich ein paar davon gekrallt. Klar doch – geht es mir durch den Kopf – es handelt sich dabei mutmasslich um Dekorationsmaterial für die kommenden Festtage. Keine Frage. Es soll stimmungsvoll sein in den eigenen vier Wänden. Gut so.
Der Zugang zu Wald ist ökonomisch betrachtet ein öffentliches Gut. Er, der freie und kostenlose Zugang, ist rechtlich verankert (Art. 699 ZGB und Art. 14 WaG). Was das Sammeln von Früchten, Beeren, Pilze, Kräuter, Blumen, herumliegende Äste, Baumrinden, Tannzapfen etc. angelangt, gibt es gesetzliche Normen. Im Grundsatz ist vieles erlaubt, vorausgesetzt man ist mit Augenmass und nicht kommerziell unterwegs. Aber insbesondere das Abschneiden von Ästen und Zweigen ist verboten. Auf eine einlässliche, rechtliche Würdigung soll hier jedoch verzichtet werden.
Aus einer umweltökonomischen Sichtweise betrachtet lässt die beobachtete Alltagsgeschichte aber exemplarisch tief blicken. Der freie Zugang zum Wald wird mitunter im übertragenen Sinn mit einer Lizenz zum freien Bedienen mit Biomasse verwechselt. Spitzt sich das Ganze zu, spricht man in Wirtschaftswissenschaft vom Phänomen der «Tragik der Allmende»: Individuelles Verhalten von Einzelakteuren kann in der kollektiven Summe zu einer Übernutzung von knappen Ressourcen, gemeint ist hier der Produktionsfaktor «Natur», führen. Denn die Umwelt sollte kein Selbstbedienungsladen mit Gratisprodukten sein.
Zwar haben Waldgrundstücke hierzulande – glücklicherweise – immer einen Eigentümer oder Eigentümerin. Das ist aus Sicht der Theorie der Verfügungsrechte (u. a. Eigentumsrechte) durchaus positiv zu werten. Aber ihnen fehlt teilweise eine griffige und effiziente Handhabe, um potenziell schädlichem Fehlverhalten präventiv entgegenzuwirken. Eine Anmerkung und zur Vermeidung von allfälligen Missverständnissen: Dieser Blog ist nicht als Plädoyer für einen Eintrittspreis für den Besuch von Wäldern zu verstehen. Man muss sich auf den gesunden Menschenverstand – die Vernunft der Waldbesucher – verlassen. Zum Glück ist Weihnachten nur einmal pro Jahr.
Die Moral von der Geschichte
Gut möglich, dass ich unter einer «Déformation professionelle» leide. Nicht einmal während einer zeitlich überschaubaren Jogging-Einheit kann ich meine ökonomische Brille ablegen. Ich selbst aber buche das Ganze unter Feldforschung eines Wald-und-Wiesen-Ökonomen ab.
So oder so wünsche ich allen Leserinnen und Lesern meiner Blogs frohe Festtage und einen exzellenten Start ins neue Jahr.
Season's greetings
dr. urs hausmann strategieberatung
Quellen:
Fotos:
dr. dr. üsé kuba Hausmann, Zürich-Innenstadt, Dezember 2024 und Matera, September 2021.