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Hypotheken – Geschäftsmodell mit antiken Wurzeln, aber immer noch aktuell und relevant

Historisches Allzeithoch erreicht und kein Ende in Sicht


Vor über 2000 Jahren werden Griechenland grundpfandgesicherte Kreditgeschäfte getätigt. So mag es nicht zu erstaunen, dass der Begriff Hypothek der altgriechischen Sprache entstammt. Ein äusserst erfolgreiche, nachhaltige und lukrative Finanzinnovation wird damals geboren. Ein einschlägiges Beispiel dazu: Per Ende des letzten Jahres beläuft sich in der Schweiz die Summe der ausstehenden Hypothekarkredite auf rund 1.225 Billionen Franken. Davon gehen rund 43% auf das Konto der UBS, der CS und der Gruppe der Raiffeisenbanken. Statistisch betrachtet steht die hiesige Wohnbevölkerung mit rund 139'000 Franken pro Kopf in der Kreide. Es handelt sich um einen weltweiten Spitzenwert.


In Relation zum nominalen Bruttoinlandprodukt (BIP) vom Jahr 2022 entspricht diese spezifische Verschuldung dem Faktor 1.5. 1989 erreicht dieser Kennwert erstmals den Wert von 1.0. Der dazugehörige Mittelwert über die vergangenen 106 (!) Jahre beträgt 0.83. Er liegt damit substanziell unter dem gegenwärtigen Niveau. Zudem lässt sich seit dem Jahr 2000 eine fast synchrone Entwicklungsdynamik zwischen Preisen von Wohneigentum und den ausstehenden inländischen Hypotheken nachweisen; vgl. Grafik. Beide erhöhten sich bis Ende 2022 um circa den Faktor 2.2. Zur Vermeidung von Falschinterpretationen: diese positive Korrelation darf nicht mit einer Kausalität verwechselt werden.


2023: (noch immer) traumhafte Finanzierungssituation


Die nicht nur ökonomisch schwer fassbare Phase der Negativzinsen scheint der Geschichte anzugehören. In diesem Herbst bewegen sich die nominalen Hypothekarzinssätze pro Jahr wieder in einer Bandbreite von 2% bis 2.5%. Aktuell liegt zudem die Jahresteuerung bei 1.7%. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO erwartet für 2024 eine Jahresteuerung von 1.9%. Wie lässt sich die skizzierte Gemengelage wirtschaftshistorisch einbetten?


Zwischen 1906 und 2022 betragen die mittleren effektiven nominalen Zinskosten pro Jahr – je nach verwendetem statistischem Mass – 3.8% bis 4.1%. Die mittlere Jahresteuerung zwischen 1914 und 2022 beläuft sich auf rund 2.2% pro Jahr. Daraus resultiert eine mittlere reale Verzinsung von 1.6% bis 1.9% pro Jahr. Natürlich floss in dieser Zeit sehr viel Wasser die Limmat, den Rhein oder Rhone runter. Und ja, die Wirtschaftswelt hat sich über diesen langen Zeitraum radikal verändert. Aber die auch von hochdekorierten Ökonomen in früheren Jahren geäusserten Unkenrufe à la «die Inflation ist tot» haben sich – keinesfalls überraschend – nicht bewahrheitet. Dahinter steckte mehr Wunschdenken als eine fundierte Analyse. Insofern passt die von der Schweizerischen Nationalbank gewählte Höhe «von weniger als 2% pro Jahr» als Mass für die hiesige Preisstabilität in der Volkswirtschaft «Schweiz AG» gut in den eigenen wirtschaftshistorischen Datenkranz.


Nach der sogenannten Fisher-Gleichung ergibt sich der Nominalzinssatz aus der Summe des unterstellten Realzinssatzes und der erwarteten Inflation.


Daraus leitet sich für die Schweiz ein nominales Zinsniveau ab, das grob geschätzt zwischen 3.5% und 4% liegen sollte. Mit anderen Worten sollten die nachhaltigen Hypothekarzinsen rund 100 bis 150 Basispunkte höher liegen als dies gegenwärtig der Fall ist.

Im Klartext gesprochen muss nach Fisher’s Formel hierzulande in den nächsten Jahren mit einem allgemeinen höheren nominellen Zinsniveau gerechnet werden. Selbstverständlich ist es erlaubt, ja unverzichtbar, sich eigenständig über die richtige oder angemessene Höhe der beiden Eingangsvariablen Gedanken zu machen.


Die Moral von der Geschichte


Die hypothekarische Verschuldung in der Schweiz bewegt sich schon seit geraumer Zeit in luftiger Höhe. Seit 1906 wuchs sie mit knapp 5.4% pro Jahr, wobei sich die Wachstumsdynamik in den letzten rund zehn Jahren deutlich abgeflacht hat. Trotz der rekordverdächtigen Schuldenlast bewegen sich effektiv sowohl die absolute als auch relative Schuldenzahlung auf bemerkenswert tiefem Niveau. Waren es vor 30 Jahren noch 30 Milliarden Franken pro Jahr an Schuldzinsen, die zu berappen waren, waren es im vergangenen Jahr «lediglich» geschätzte 16.2 Milliarden Franken. Der Clou dabei: 1992 beliefen sich die ausstehenden Hypotheken auf circa 400 Milliarden und nicht wie 2022 auf 1’225 Milliarden Franken!


Die Sicherung der Stabilität des eidgenössischen Bankensystems geniesst so oder so aus gutem Grund eine hohe Priorität. Denn manifeste Banken- oder Kreditkrisen lähmen die betroffenen Volkswirtschaften in der Regel über Jahre hinweg. Auch sind mit ihnen oftmals Kollateralschäden verbunden.


Vor diesem Hintergrund gibt aus einer Risikosicht betrachtet vor allem ein Indikator einen hohen Komfort: Gemessen am nationalen nominalen BIP der Schweiz machen die jährlichen Zahlungen an Hypothekarzinsen gegenwärtig bloss knapp 2.1% aus. Historisch gesehen handelt es dabei um einen (sehr) moderaten Wert. Zum Vergleich: Der Mittelwert über mehr als 100 Jahre beträgt 3.5%. Zumindest nummerisch betrachtet existiert damit ein sattes Polster. Und zu Beginn der 1990er-Jahre überschritt dieser Kennwert längere Zeit die Marke von 7%. Damals überlief das Fass. Der Rest ist Geschichte.


Fazit


Eine mehrjährige konjunkturelle Wachstumsdelle oder gar eine Depression bzw. eine langanhaltende Stagflation wären Gift für die Schweizer Volkswirtschaft im Allgemeinen und für die Gläubiger von ausstehenden grundpfandgesicherten Krediten im Besonderen. Hingegen sollte ein kürzerer, rezessiver Wirtschaftsverlauf kein ernsthaftes Problem darstellen. Die wirtschaftspolitisch wie gesetzgeberisch mit Abstand beste Prävention – bzw. ein aktives Risikomanagement – besteht aus meiner Sicht in der Sicherung von realwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die eine wettbewerbs- und konkurrenzfähige Binnen- und Exportwirtschaft fördern. Dagegen dürfte ein mutmasslicher weiterer Ausbau der einschlägigen nationalen Kredit- und Finanzmarktregulieren weder zielführend oder effektiv noch effizient sein. Solche Aktivitäten lassen uns voraussichtlich in falscher Sicherheit wiegen.


Quellen:


https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/volkswirtschaft/volkswirtschaftliche-gesamtrechnung/bruttoinlandprodukt.html

https://dievolkswirtschaft.ch/content/uploads/2010/01/05D_Zuercher.pdf

https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/wirtschaftslage---wirtschaftspolitik/Wirtschaftslage/konjunkturprognosen.html


Grafik:

SNB, Wüest Partner, Fahrländer Partner, IAZI.

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