Gefährliches Shoppen an der Bahnhofstrasse
Es gab Zeiten, in denen man sich beim Flanieren durch die Zürcher Bahnhofstrasse um sein Leben fürchten musste. So starben im Jahr 1930 zwei Personen bei Verkehrsunfällen auf dem Paradeplatz (*). Zum Glück längst vergangene Zeiten! Bei x-fach höherem Verkehrsaufkommen sank die Anzahl der tödlich verunfallten Personen seit Jahrzehnten markant. Bezogen auf das Aufkommen und die Abwesenheit von Automobilen spricht die Verkehrsstatistik Bände.
Im Jahr 2020 waren rund 4.66 Mio. Personenwagen (PW) in der Schweiz registriert: ein historisches Allzeithoch. 1990 zählten die Statistiker «nur» knapp 3 Mio. PW. Der Bestand erhöhte sich nachweislich um satte 56%. Der Motorisierungsgrad der privaten Haushalte nahm jedoch nur noch moderat zu. Kamen 1990 bereits 1’050 PW auf 1’000 Privathalte, bewegt sich diese Marke gegenwärtig bei 1’204 PW. Aber noch nie lag dieser Kennwert so hoch; d. h. im statistischen Mittel besitzt hierzulande ein Privathaushalt 1.2 Autos.
Nebenschauplatz: Um diesem Zuwachs an PW «ein Dach über den Kopf» zu geben, müsste das grösste Parkhaus der Schweiz – das Parkhaus P6 am Flughaften Zürich-Kloten – 220-mal geklont werden! Damit ginge ein gigantisches Bauvolumen von circa 148 Millionen Kubikmetern einher.
Eine andere Dynamik des motorisierten Individualverkehrs lässt sich – nicht überraschend – in der Stadt Zürich beobachten. Die Anzahl der registrierten PW tendiere in den letzten 30 Jahren ohne nennenswerten Zuwachs seitwärts. Aktuell dürften in der Zürcher Metropole rund 137'000 PW registriert sein. Da sowohl die Bevölkerungszahl als auch die Anzahl der privaten Haushalte zugelegt haben, nahm der Motorisierungsgrad der Stadtzürcher Privathaushalte in diesem Zeitraum entsprechend leicht ab. Von 717 PW reduzierte er sich auf 686 pro 1’000 Privathaushalte.
Widersprügliche Preissignale bei steigenden Leerständen
Damit noch nicht genug. Im generationenübergreifenden Transformationsprozess, in dem sich der Schweizer Gebäudepark seit geraumer Zeit befindet, geht die Tendenz der Legislativen dahin, dass solche «falsche» Regulierungen erhalten bleiben und zusätzlich durch weitere zwingende Vorgaben angereichert werden. Es gilt in der Konsequenz ein Sowohl-als-auch. Folglich resul Mehrkosten. n. .
Ein wachsender Bestand an PW in der Schweiz könnte ein Hinweis auf gestiegene Mietpreise für Garagen- und Abstellplätze sein. Und tatsächlich bestätigt ein Blick auf die Position «Garagen- und Parkplatzmiete» des Landesindexes der Konsumentenpreise (LIK) diese Hypothese. Demnach erhöhte sich der Mietpreis in den vergangenen knapp 30 Jahren um gut 33%. Zum direkten Vergleich: Die allgemeine Teuerung legte lediglich um 15% zu.
Doch schlendert man durch die Stadt Zürich, kommen Zweifel auf. Werbetafel für Garagenplätze sind dort nicht allgegenwärtig präsent, aber doch bemerkenswert häufig anzutreffen. Auch in der NZZ am Sonntag (**) wurde kürzlich von «einem leichten Spiel» gesprochen, wenn es um die Miete eines Einstellplatzes auf dem Platz Zürich geht. Was bedeutet dies für Mehrfamilienhäuser mit Mietwohnungen?
Auswirkungen des Klimawandels als «Game Changer»
Dass die Transaktionspreise (auch) bei Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnungen seit etlichen Jahren stark und ungebremst nach oben tendieren, ist eine unbestrittene, empirisch belegbare Marktrealität. Dabei werden käuferseitig – im kritischen Rückblick betrachtet – nicht selten die zukünftig erwarteten Mieterträge überschätzt und zukünftige Kosten unterschätzt. Das liegt in der Natur der Sache, denn die Zukunft ist unbekannt.
Vor diesem Hintergrund lässt sich mit Blick auf die Schnittstelle Mehrfamilienhaus und Einstellplätze – zumindest in groben Zügen – doch eins und eins zusammenzählen: Autonomes Fahren kommt auf uns zu; die grosse Mehrheit der Autos wird keine fossilen Treibstoffe mehr konsumieren; Car-Sharing-Konzepte werden noch smarter und digitaler; Fahrräder dürften in der kleinräumigen Alltagsmobilität weiter an Bedeutung gewinnen; PW dürften kompakter werden und schliesslich besteht ein Trend, dass immer weniger Menschen selbst Autofahren wollen.
Wagt man nun einen weiteren Blick in die Kristallkugel, sind folgende Szenarien nicht von der Hand zu weisen: Erstens dürfte das Niveau der strukturellen Leerstände bei Einstellplätzen weiter ansteigen, zweitens dürften einer Umnutzung von Garagen und Einstellplätzen sehr enge Grenzen gesetzt sein und dabei mutmasslich eine sinkende Flächenrentabilität aufweisen, drittens liegt es auf der Hand – zumindest nach heutigem Erkenntnisstand –, dass Eigentümer von Mehrfamilienhäusern ihre Autoabstellplätze mit Elektroladestationen ausrüsten müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das alles kostet Geld.
Kurzum, die Perspektiven für erwartete Cashflows aus Garagen und Einstellplätzen in Mehrfamilienhäusern müssen auf die lange Sicht betrachtet als durchzogen taxiert werden. Wachstumsfantasien sehen anders aus. Eine besonders sorgfältige Prüfung der einschlägigen zukünftig erwarteten Cashflows im Rahmen von Akquisitionen sei an dieser Stelle wärmstens empfohlen.
Die Moral von der Geschichte
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Baugesetze Grundstückeigentümern oder allgemeiner Bauherrinnen von Liegenschaften dazu verpflichten, eine Mindestanzahl von Garagen oder Einstellplätzen für PW zu realisieren. Es handelt um unzeitgemässe Vorgaben. Auch wird damit eine übermässige Gefahr von «nachhaltigen» Fehlinvestitionen sprichwörtlich zementiert.
Damit noch nicht genug. Im generationenübergreifenden Transformationsprozess, in dem sich der Schweizer Gebäudepark seit geraumer Zeit befindet, geht die Tendenz der Legislativen dahin, dass solche «falsche» Regulierungen erhalten bleiben und zusätzlich durch weitere zwingende Vorgaben angereichert werden. Es gilt in der Konsequenz ein Sowohl-als-auch. Folglich resultieren in Stein gemeisselte Mehrkosten.
Unabhängig davon wäre es an der Zeit, dass die Eigentümer bei grundsätzlichen baulichen Entscheidungen (wieder) freier entscheiden können. Es gilt die Eigenverantwortlichkeit von Immobilieneigentümer wieder zu stärken. Kreativität, Experimentierfreudigkeit und Innovationskraft würden davon profitieren. Nicht zuletzt liessen sich dadurch gesamt-wirtschaftliche systemische Risiken von kollektiven Fehlentscheidungen mindern. Gleichzeitig gilt es, dem gesetzlich verankerten umweltökonomischen Verursacherprinzip noch mehr Achtung zu verschaffen.
Auch aus ökologischer Sicht wäre ein vollständiger oder teilweiser Verzicht auf nutzen-orientierte (unterirdische) Bauten für die Unterbringung von PW zumindest bedenkenswert. Dass dabei das Kostenbudget geschont würde, wäre einer von mehreren netten Nebeneffekten.
Der Clou zum Schluss: vor mehr als 3000 Jahren unserer Zeitrechnung realisierten die Pfahlbauer im Kanton Zürich ihre Bauten klimaneutral aus Holz und weiteren organischen Baustoffen.
PS: Der Autor dieses Blogs ist ein bekennender Sichtbeton-Aficionado.
Quellen:
https://deuringoehninger.ch/portfolio/erweiterung-und-sanierung-parkhaus-p6-flughafen-zuerich-ag-2/
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/mobilitaet-verkehr/unfaelle-umweltauswirkungen/verkehrsunfaelle.html
https://www.die-pfahlbauer-in.ch/die-pfahlbauer-in-der-schweiz
https://www.stadt-zuerich.ch/portal/de/index/portraet_der_stadt_zuerich/digitale-zeitreise/verkehr.html
(**) NZZ am Sonntag, Nr. 36, 5. September 2021, S. 35.
Bildnachweis:
Vgl. (*) Zürcher Statistische Nachrichten, 8. Jahrgang, 1. Heft, 1931, Jan./März nach S. 152.: Verkehrunfälle in der Stadt Zürich 1930: Unfall nur mit Blechschaden, Unfall mit Personenverletzungen und Unfall mit tödlichem Ausgang; Bildbearbeitung durch dr. dr. üsé kuba hausmann. Dabei handelt es sich um ein wunderbares Beispiel für eine «analoge» GIS-Anwendung!
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