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Historische Kennwerte bei kotierten Immobilienfonds

Seit 7 Jahren, 10 Monaten und 26 Tagen arbeite ich nun im Home-Office. Freiwillig. Zumindest von der Arbeitsplatzsituation her bedeutet für mich die herrschende ausserordentliche Lage «courant normal». Alles andere als normal präsentiert sich seit ein paar wenigen Wochen die Gefährungslage der Volksgesundheit einerseits und die volkswirtschaftliche Grosswetterlage andererseits. Es geschieht hüben wie drüben Historisches und bis dato «Undenkbares».

Minus 6.18%, soviel büsste der Total-Return-Index von kotierten Immobilienfonds an einem einzigen Handelstag an der Zürcher Börse ein. Man schrieb Freitag den 13. März 2020. Ausgerechnet an diesem neuralgischen Datum registrierte man den grössten Tagesverlust in dieser vergleichsweise kleinen Anlagegruppe. Und zwischen dem 10. und 17. März 2020 verlor derselbe Index im Total minus 16.2%. Diese Werte sind für sich genommen historisch einmalig. Denn in der rund 80-jährigen (Erfolgs-) Geschichte von Schweizer Immobilienfonds mussten Anleger noch nie – innerhalb von wenigen Tagen – so massive Kurskorrekturen in Kauf nehmen. Wird der Zeitraum vom 1. Januar 1943 bis zum 25. März 2020 als Referenz genommen, lassen sich zur Einordnung der Dimensionen folgende Extremwerte – negative Gesamtperformances – herausfiltern:

Kotierte Immobilienfonds weisen traditionell eine leicht positive Korrelation mit dem hiesigen Aktienmarkt auf (Korrelationskoeffizient von 0.48). Insofern ist es nachvollziehbar und auch zu erwarten, dass diese Anlagegruppe mutmasslich eine höhere Volatilität an den Tag legt als vergleichbare Direktanlagen. Nimmt man jedoch exogene Schocks wie die Erdölkrise in den 1970er-Jahren, den Immobiliencrash in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre, den zweiten Golfkrieg (1990/1991), die Terroranschläge vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise von 2008 als Stresssituation zum Vergleich, stellt man – vielleicht mit Erstaunen – fest, dass die Kurse von Schweizer Immobilienfonds und letztlich auch deren Performance bemerkenswert robust waren. Verlässlich wie eine Schweizer Uhr boten sie ihren Anlegern absolut wie relativ betrachtet ein stimmiges Paket von Risiko und Rendite. Ausser während der Phase des bereits erwähnten Immobiliencrash müssen (nennenswerte) Kurskorrekturen sprichwörtlich mit der Lupe gesucht werden.

Zwischenbilanz: Die in den letzten Tagen registrierten Kurskorrekturen bei Immobilienfonds können erstens ohne Übertreibung als historisch taxiert werden. Es gibt keine Präzedenzfälle. Zweitens bleiben noch drei Viertel des Anlagejahres vor uns. Es kann also noch viel geschehen, im Positiven wie im Negativen. Zahltag ist am 31. Dezember 2020. Drittens bleibt die Frage unbeantwortet, ob und in welchem Ausmass die Kurs- und Performance-Entwicklungen von Immobilienfonds im konkreten Fall auf Direktanlagen wie Mehrfamilienhäuser oder Geschäftsliegenschaften übertragen werden können. Dass hierzu zeitnahe und aktuelle Indizes in der Schweiz nicht existieren, darf aber keinesfalls so verstanden werden, dass entsprechende Anlagen mit ihren mutmasslichen Preisen und deren Gesamtrenditen nicht volatil sind. Wer anderes annimmt, dürfte auf dem Holzweg sein. Dies erkannte bereits der weltbekannte und einflussreiche Ökonom John Maynard Keynes (1883-1946). So betonte er stets, dass Liegenschaften nicht als risikoarme oder gar risikolose Investitionen verstanden werden dürfen. Alles andere sei Augenwischerei. Viertens lässt sich mit einschlägigem Datenmaterial erhärten, dass Immobilienfonds, die in der Schweiz engagiert und investiert sind, über die lange Frist in der Regel ein Risiko-Rendite-Profil bieten, das sich nicht zu verstecken braucht. Insbesondere für Anleger, deren Risikoappetit grösser ist als «lediglich» in Obligationen zu investieren, waren bis dato mit dieser Anlagegruppe sehr gut bedient. Fünftens gilt es nun, noch aufmerksamer als bis anhin, Immobilienfonds und deren Performance zu beobachten: Handelte es sich bei der jüngsten Delle um einen einmaligen «Unfall» seitens der Marktteilnehmer oder um den Beginn eines neuen Paradigmas? Es bleibt auf jeden Fall spannend.

Quellen und Daten:

Banque Pictet & Cie. SA: Die Performance von Aktien und Obligationen in der Schweiz (1926-2018): Update, Zürich 2020

BfS LIK. https://www.bfs.admin.ch/asset/de/cc-d-05.02.08

Hausmann, Urs: Die Wertschätzung von Liegenschaften, Zürich 2019

Rätzer, Ernst: Die Pensionskasse aus ökonomischer Sicht, Bern und Stuttgart 1983

SXI Real Estate® Selected Funds Equal Weighted (CH0014168477)

Walsh, Justyn: Keynes and the Market How the World's Greatest Economist Overturned Conventional Wisdom and Made a Fortune on the Stock Market, New York 2008

Bildnachweis:

Neue Zürcher Zeitung, NZZ, 24. Juli 1940, S. a4

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