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Betongold adieu!

Wir leben in einer VUCA-Welt. Sie ist zugleich unbeständig, unsicher, komplex und mehrdeutig. Anlageseitig stellen sich mit dem herrschenden Regime von Negativzinsen zusätzliche Herausforderungen. Die Vermögensallokation dürfte daher – gemessen an «normalen Zeiten» krass verzerrt sein. Ob es sich dabei teilweise um mögliche Fehlallokationen handelt, weiss man noch nicht. Das wird sich dereinst zeigen. Fakt ist, dass Sach- oder Realwerte, namentlich vor allem Liegenschaften, seit geraumer Zeit hoch im Kurs stehen. Vor diesem Hintergrund mag ein fokussierter und spezifischer Blick auf die Schweizer Wirtschaftsgeschichte instruktiv sein: Im Herbst 1929 kündigte sich eine epochale Weltwirtschaftskrise an. Just zu diesem Zeitpunkt soll ein Vermögen von exakt 13'900 Franken innerhalb der Schweiz in eine einzige Assetklasse angelegt werden. So will es die Übungsanlage. Der unterstellte damalige Anlagehorizont soll mehr als 10 Jahre betragen haben. Es wird weiter ein Buy-and-hold-Ansatz vorgeschrieben. Neumodisches wie der Ruf nach nachhaltigen Anlagen als Anlagekriterium spielte zu jener Zeit noch keine Rolle. Zur Auswahl standen neben dem Halten von Bargeld (die Nullalternative) der Kauf von Bauland in der Zürcher Gemeinde Zollikon, der Kauf von Inhaberaktien von Nestlé, der Kauf von Inhaberaktien der Schweizerischen Kreditanstalt (heutige Credit Suisse) und der Kauf von Gold. Welche Anlage hätten Sie gewählt? Aber nicht ex post mit dem heutigen Wissensstand, sondern dem damaligen!

Seit 1929 ist viel passiert – ein Weltkrieg, Hochkonjunkturen, geopolitische Machtverschiebungen, Erdölschock, technologischer Fortschritt sowie (weitere) zahlreiche exogene Schocks in allen möglichen Erscheinungsformen. Heute ist die Welt wohl eine andere als in den 1930er-Jahren. Nach einer Haltedauer von 89 Jahren ist Ende 2018 Zahltag: Die höchste erzielte Gesamtrendite pro Jahr lag bei 6.54%. Aus 13'900 Franken wurden fast 3.9 Mio. Franken. Und der Top-Langzeit-Performer ist? Bauland in der Gemeinde Zollikon in Kanton Zürich. Wenig überzeugend als «krisenresistente» Anlage war diejenige in Gold. Die jährliche Gesamtrendite beläuft sich auf magere 2.83%.

Und was ist die Moral dieser Zeitreihenanalyse? Immobilien als sogenanntes Betongold zu bezeichnen – was leider häufig vorkommt – ist in fast jeder Beziehung eine krass irreführende Metapher. Damit werden Grundstücke nicht etwa geadelt, sondern sie werden im Gegenteil verunglimpftlicht. Wenn verbal nicht mit dem Zweihänder unterwegs ist, sollte auf den Gebrauch dieses Begriffs verzichten. Als prüfenswerter sprachlicher Ersatz böte sich stattdessen der etwas ungelenk tönende Begriff «Betonaktie» an. Denn in den Preisen von Bauland widerspiegeln sich die Erwartungen der Investoren bezüglich den zukünftigen Entwicklungen. Für letztere gelten natürlich querbett die eingangs erwähnten VUCA-Kriterien. Die Zukunft ist und bleibt eine Unbekannte. Die Zahlungsbereitschaft für Aktien wie für Bauland funktioniert aber exakt nach denselbem Prinzip: der Diskontierung des zukünftig erwarteten Nutzens.

Und zum Schluss noch vier Punkte: Erstens sind Aktien nicht gleich Aktien und unbebaute Parzellen sind nicht gleich unbebaute Parzellen. Zweitens hätte auch eine blosse Verzwölffachung des Baulandpreise von 1929 bis 2018 gereicht, um Gold zu schlagen. Was entspricht beispielsweise einem heutigen Landpreis von weniger als 200 Franken pro Quadratmeter. Und drittens hätte doch die Nestlé-Aktie das Rennen gemacht, wenn beim Verkauf der Vermögenswerte Ende 2018 die Entrichtung der Grundstückgewinnsteuer ins Kalkül mitaufgenommen würde. Gleichwohl wäre so oder so ein Fotofinish. Und viertens darf die vergangene Performance nicht als Indikator für die laufende oder künftige Wertentwicklung angesehen werden.

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