Ausdehnung der «Lex Koller»? Kopfloser Griff in die Mottenkiste

Unglaubliches passiert in Bundesbern

Die Rechtskommission des Nationalrats lancierte Mitte Januar 2021 eine mit 22 zu 0 Stimmen, bei zwei Enthaltungen, eine Kommissionsinitiave (Geschäftsnr. 21.400). Deren Inhalt ist brisant. Das Geltungsbereich der Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, «Lex Koller») soll nach dem Willen der Kommission zeitlich befristet auch auf Betriebsliegenschaften ausdehnt werden.

Nach geltendem Recht dürfen ausländische Investoren keine Wohnliegenschaften erwerben bzw. solche Transaktionen können ausnahmsweise durch die Behörden bewilligt werden. Hingegen können unbebaute oder bebaute Grundstücke, die erst zukünftig oder heute schon wirtschaftlich genutzt werden (auch Betriebsstätten genannt), ohne Einschränkungen von ihnen erwerben und betrieben werden. Sie sind Schweizer Investoren gleichgestellt. Gemäss der Vorstellung der Rechtskommission soll zukünftig, zeitlich befristet, das Folgende gelten:

Nach Art. 2 Abs. 2 lit. a BewG sollen Grundstücke, die als ständige Betriebsstätten eines Handels‑, Fabrikations- oder eines anderen nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes, eines Hand­werksbetriebes oder eines freien Berufes dienen, analog von Wohnliegenschaften einer kantonalen Bewilligungspflicht unterstellt werden. Die angedachte Gesetzesänderung zielt ausdrücklich darauf ab,

«dass ausländische finanzkräftige Privatpersonen oder Unternehmen die finanzielle Notlage schweizerischer Unternehmen ausnützen könnten und zu tiefen Preisen Betriebsliegenschaften von Unternehmen erwerben könnten.» (Zitat aus der Pressemitteilung vom 15. Januar 2021).

Corona-Pandemie als Deckmantel für prohibitive Regelung

Diese Begründung muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Sie spricht Bände. Es wird dabei nicht einmal im Ansatz versucht, knochentrockenen Protektionismus, sprich einen unverblümten «Heimatschutz», zu kaschieren. Dass volkswirtschaftlicher Sachverstand hier auf der Strecke bleibt, scheint in politischen Kreisen fast zum guten Ton zu gehören. Klar ist es keinem Unternehmen zu wünschen, dass dieses – sei es unverschuldet, sei es selbstverschuldet – in eine (finanzielle) Notlage gerät. Aber wenn das Unvermeinbare dereinst bittere Realität würde, dann Bitteschön, sollten qua Gesetz ausschliesslich hiesige Investoren, also Schweizer Unternehmen, von den jeweiligen Notlagen ihrer Landsleute bzw. auch von ausländischen Unternehmen profitieren. Sind also in den unterstellten Notlagen rein schweizerische «Deals» ökonomisch, gesellschaftlich oder auch moralisch betrachtet besser, als solche, bei denen ausländische Käufer die Gegenpartei bilden? Offenbar orten die Mitglieder der Rechtskommission des Nationalrats exakt hier und in direkter Verbindung mit der Corona-Pandemie einen akuten Handlungsbedarf.

Zur wirtschaftshistorischen Einordnung: Vor rund 60 Jahren erliess das Parlament mit der damaligen Lex von Moos ein erstes Gesetz, das den grenzüberschreitenden Erwerb und Eigentum von Grund und Boden einschränkend zu regulieren begann. Seither gehört diese Materie zum festen Bestand der immer wiederkehrenden politischen Kampfzonen. Entsprechende Vorstösse tauchen alle paar Jahre wieder auf. Das gehört zum politischen Geschäft und ist legitim.

Aber weshalb dabei Schmalspurökonomie betreiben? In der oben zitierten Medienmitteilung wird ausdrücklich von «tiefen Preisen» gesprochen. Gemeint sind wohl «zu tiefe» Preise. Wie die Politiker zu dieser mutmassenden Einschätzung gelangen, bleibt schleierhaft. Unterstellt man ein derart gelagertes Szenario, dann mutet es doch geradezu paradox an, wenn die potenzielle Nachfrage künstlich durch eine gesetzliche Norm zusätzlich verknappt werden sollte. Im Klartext sind offenbar hiesige «Krisengewinner» durchaus genehm, nicht aber ausländische!

Die matchentscheidende ökonomische Krux liegt woanders. Es mag vielleicht überraschend klingen, aber für die ausländische Investoren besitzt der Schweizer Immobilienmarkt nicht die Attraktivität, die man ihm landläufig unterstellt. Weder das sehr sportliche Preisniveau noch die bescheidenden Renditeerwartung trüben die mutmassliche Attraktivität. Vielmehr sind die hierzulande möglichen Anlagevolumen pro Investment bis auf wenigen Ausnahmen monetär schlicht zu klein. Liegenschaften unter rund 100 Mio. Franken Anlagevolumen kommen für die ausländische Investoren in der Regel nicht in Frage. Einerseits sind es vor allem portfoliotechnische Überlegungen, die entsprechend fette Lose veranlagen. Andererseits gilt es, Aspekte aus dem operativen Management gebührend zu berücksichtigen: Aufwand und Ertrag stehen bei «kleinen» Engagements im Ausland, sprich in der Schweiz, in einem Missverhältnis. Dafür lohnt es sich unter dem Strich selten bis nie die ganze eigene Maschinerie loszutreten.

Evidenz lautet das Zauberwort

Letztes Jahr lernten viele von uns ein neues Word aus der Medizin kennen: Es heisst Evidenz. Evidenzbasiert zeigt sich bezogen auf die aktuellen Marktwerte von Liegenschaft das nachfolgende Bild. Die Angaben zu den aufgeführten Marktwerten erfolgen in Millionen Franken.

Quelle: Alphaprop (Stand Februar 2021; Marktwerte 2020 bzw. 2021)

Beobachtung: Rund 95% aller Geschäftsliegenschaften bewegen sich wertmässig unter der oben eingeführten Marke. Grosskalibrige Geschäftsliegenschaften bilden in der Schweiz nach wie vor Mangelware. Das analysierte Datenmaterial liefert belastbare und robuste Indizien dafür, dass die grosse Mehrheit aller hiesigen Geschäftsliegenschaften überhaupt nicht ins Beuteschema von ausländischen Investoren passt. Kommt hinzu, dass bei einer allfälligen Konkurswelle (die hoffentlich nicht auf uns zurollen wird) schwergewichtig KMU betroffen sein dürften. Sofern solche KMU in eine ökonomische Notlage kommen sollten, dann ist es auch absehbar und wohl plausibel, dass die Marktwerte der allenfalls vorhandenen eigenen Liegenschaften in der Regel im ein-oder zweistelligen Millionenbereich liegen dürften.

Geschäftsliegenschaften, die sich auf Schweizer Territorium befinden, waren und sind – gänzlich unabhängig der heimischen Marktsituation einerseits und dem herrschenden Preisniveau andererseits – aus der Sicht von ausländischen Investoren nicht von nennenswertem Interesse. Mehr noch, sinkende Preise würden die (unterstellte) Attraktivität von Schweizer Geschäftsliegenschaften weiter reduzieren und entgegen der Intuition nicht befeuern. Ganz allgemein können zudem ausländische Investoren nicht als «Preistreiber» kritisiert wird. Die starken Preissteigerungen – auch bei Geschäftsliegenschaften – in den vergangenen Jahren waren und sind uneingeschränkt hausgemacht.

Eine Medienmeldung von CBRE (datiert vom 12. Februar 2021) untermauert die These der weitgehenden Abstinenz: So bewegt sich erstens das Engagement von ausländischen Investoren in der Schweiz seit Jahren auf bescheidenem Niveau. Die Argumente dafür wurden bereits dargestellt. Zweitens agieren diese Akteure hierzulande netto betrachtet eher als Verkäufer denn als Käufer. Drittens kann man aufgrund der traditionell diffusen Datenlage davon ausgehen, dass der von CBRE ausgewiesene Ausländeranteil eher über- als unterschätzt wird. Denn zum jährlichen Handelsvolumen von Immobilien existieren keine gesicherten Daten. Dazugehörige Marktabschätzungen besitzen zudem eine sehr grosse Streubreite.

Seitenblick in rechtliche Gefilde

In Ergänzung zu ökonomischen Gedankengut böte sich eine juristische Auseinandersetzung mit der Materie an. Ja, eigentlich ist sie unverzichtbar. In Zeiten der Corona-Pandemie wird aber auf dem juristischen Parkett vornehmlich mit dem Zweihänder als mit dem Florett debattiert. Die herrschende Krisensituation scheint so akut zu sein, dass differenziertes rechtliches Handwerk meistens auf der Strecke bleibt. Letztlich bleibt nur das Stauen über das leichtfertige Abstützen auf die besondere bzw. ausserordentliche Lage (Art. 6 und 7 EpG), um andere gesetzliche Normen zu legitimieren.

Insofern sei hier «nur» auf die Eigentumsgarantie (Art. 26. BV) hingewiesen. Welches handfestes, öffentliches Interesse kann gelten gemacht, das einen Eingriff in die Bestandesgarantie mit Bezug auf eine erweiterte «Lex Koller» rechtfertigen würde? Wohl keines. Auch den Grundsatz der Vertragsfreiheit (Art. 19 OR) gilt es gebührend ins Feld zu führen. Er beinhaltet mitunter das Element der Abschlussfreiheit und die freie Wahl der Vertragsparteien. Eine Ausdehnung der «Lex Koller» auf Geschäftsliegenschaften würde die Eigentümer von Geschäftsliegenschaften diesbezüglich bevormunden bzw. ihre spezifischen eigentums- und vertragsrechtlichen Freiheiten ohne stichhaltige Gründe einschränken.

Die Moral von der Geschichte?

Nach der Redensart «nützs nüt, so schadets nüt» könnte die geneigte Leserschaft für die angedachte Ausdehnung des sachlichen Geltungsbereichs der «Lex Koller» Stellung beziehen. Denn der Autor dieses Blogs bestätigt in seinen Ausführungen die marginale Bedeutung von ausländischen Investoren im hiesigen Transaktionsmarkt für Geschäftsliegenschaften. Das stimmt. Des Pudels Kern liegt aber woanders.

Sollte dereinst das diffuse Szenario von «tiefen Preisen» bei Geschäftsliegenschaften Realität werden, dann dürfte eine ausdehnte «Lex Koller» im besten Fall keine negativen Auswirkungen für die leidgeprüften hiesigen Immobilieneigentümer haben. Im wahrscheinlichen Fall aber würde für diese Akteure stattdessen aufgrund der gesetzlichen Regelung eine ökonomische Verschlimmbesserung resultieren. Begründung: Die Freiheitsgrade für kreative Lösungen in der Not würden durch die angedachte gesetzliche Intervention präventiv und ohne Not eingeschränkt.

Es stellt der Legislative ein schlechtes Zeugnis aus, wenn sie quasi auf Vorrat dysfunktionale Gesetze bastelt. Ich wiederhole mich, aber materiell gesehen handelt es sich dabei um volkswirtschaftlichen Unfug. Der Vorstoss ist weder klug vorausschauend noch kann er unter vorauseilendem Gehorsam abgebucht werden. Vielmehr handelt es sich um ein mustergültiges Beispiel für einen paslow'schen Reflex der Politik. Zuerst ein Hüftschuss und anschliessend wird gezielt.

Quellen:

CBRE: Wie ausländische Investoren im Schweizer Immobilienmarkt investieren, Medienmitteilung vom 12. Februar 2021, PDF-Datei

https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-71200.html

https://alphaprop.ch/

https://www.bwo.admin.ch/bwo/de/home/das-bwo/publikationen/forschungsberichte.html (Berichte von Fahrländer Partner vom 17. April 2008)

https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1961/203_209_213/de

https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1984/1148_1148_1148/de

https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2015/297/de

https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20210400

Bildnachweis:

ETH Zürich e-pics

http://ba.e-pics.ethz.ch/#1613567926658_60

Zoll bei Kreuzlingen im Jahre 1964

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